Das Geiseldrama
Namen der
Brigade Staatsfeind“, sagte Francesca mit harter Stimme. „Ihr verdammten Bullen
habt letzte Nacht unseren Mitkämpfer Arved von Lotzka erwischt. Wir verlangen,
daß er freigelassen wird. Ohne Bedingungen. An einem Ort, den wir bestimmen. Zu
einer Zeit, die wir mitteilen. Unter Umständen, die wir kontrollieren werden.
Dasselbe gilt für Jens Dikal, der sich bei ihm befand und ebenfalls von euch
festgenommen wurde. Wenn unsere Forderung nicht erfüllt wird...“
„Moment mal!“ fiel ihr
Kommissar Glockner ins Wort. „Treiben Sie Scherze mit mir! Oder liegt ein
Mißverständnis vor? Zunächst mal: Mit wem spreche ich — Hanna Neu oder
Francesca Oliviri?“
„Ich bin Francesca Oliviri. Was
quatschen Sie da von Mißverständnis?“
„Wir haben weder Arved noch
Lotzka noch... ehm... Jens Dikal festgenommen. Das heißt, Dr. Dikal hatte
letzte Nacht einen schweren Verkehrsunfall. Er liegt im Krankenhaus, auf der
Intensivstation. Er ist lebensgefährlich verletzt und nicht vernehmungsfähig.
Die Ärzte kämpfen um sein Leben. Und es kann noch Tage dauern, bis er aus
seiner Bewußtlosigkeit erwacht — falls überhaupt.“
Francesca lachte schrill. „Fein
ausgedacht, ihr verdammten Bullen. Wen ihr nicht habt, könnt ihr nicht
freilassen, wie? Und wer nicht vorhanden ist, für den brauchen wir nichts zu
unternehmen. So funktioniert eure Logik. Aber ich will dir sagen, du Bulle, Staatsdiener,
Kapitalistenknecht — will dir sagen, was wirklich ist. Uns könnt ihr nämlich
nicht für blöd verkaufen. Ihr macht Arved von Lotzka zur Geheimsache. Um seine
Freipressung zu verhindern. Weil ihr denkt, ihr könnt auch uns bald erwischen.
Und dann ist ja immer noch Zeit, sich im Glanz dieser Heldentat zu sonnen, wie?
Dikal und Unfall? Hahah! Wahrscheinlich habt ihr ihn zusammengeschossen und
halbtot geschlagen. Deshalb Intensivstation, deshalb darf keiner zu ihm,
deshalb tagelang Abschirmung. Aber, mein Bester, das läuft nicht bei uns. Ich
gebe jetzt bekannt, welche Folgen euch erwarten, wenn ihr nicht spurt.“
Sie schnappte nach Luft, ehe
sie fortfuhr: „Wenn unsere Forderung nicht erfüllt wird, setzen wir innerhalb
von 48 Stunden zu einem vernichtenden Schlag an. Er wird eine Vielzahl von
Menschen treffen. Heute um 14 Uhr melde ich mich wieder. Ende.“
„Moment! Sie …“, rief Gabys
Vater.
Aber die Terroristin legte auf.
Erregung rötete ihre hageren
Wangen.
„Denen ist jedes Mittel recht“,
keuchte sie. „Aber uns schon lange. Daß sie Roland geschnappt haben, können sie
nicht leugnen — nicht bei dem Auftrieb an Augenzeugen. Aber den Arved lassen
sie klammheimlich in ihren Verliesen verschwinden. Den Dikal gesteht der Bulle
ein. Weil er schwerverletzt ist, woran ich nicht zweifle. Was sollen wir mit
dem? Wie ihn transportieren? Unter den Gegebenheiten müssen wir ihn
zurücklassen.“
Hanna und Ohnesorge nickten.
„Wenn sie aber stur bleiben,
die Bullen und Stadtväter“, sagte Schorbach, „was dann?“
„Sie haben die Wahl: Entweder
sie geben Arved frei, oder sie sind verantwortlich für das Schicksal der
Geiseln.“
„Welcher Geiseln?“ fragte
Schorbach.
„Die nehmen wir uns. Damit wir
wen haben — zum Austausch gegen Arved. Aber dazu wird es nicht kommen. Ich bin überzeugt:
Die Bullen haben Schiß vor unseren Aktionen. Und vor dem Druck der öffentlichen
Meinung.“
„Kein Aas weiß davon, daß Arved
hinter Gittern sitzt und wir zu seiner Befreiung einen Schlag planen.“
„Du sagst es“, nickte
Francesca. „Deshalb wird es höchste Zeit, daß wir die Medien (Werbeträger
wie Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen) benachrichtigen. Wir
rufen die Redaktionen an.“
Wieder griff sie zum Telefon.
Aber Macke legte ihr die Hand
auf den Arm.
„Sekunde noch, Francesca. Erst
sollten wir wissen, was wir tun, wenn es zum Äußersten kommt.“
Francesca ließ den Arm sinken.
Auf ihrem Hexengesicht bildeten sich zusätzliche Falten.
„Wer hat einen Vorschlag?“
Ohnesorge zuckte die Achseln.
Schorbach grübelte mit schiefem
Gesicht.
„So aus dem Hut fällt mir
nichts ein“, sagte Macke.
„Es muß Wucht haben“, nickte Francesca.
„Sie müssen in die Knie gehen und...“
„Ich hab’s!“ rief Hanna.
Beinahe hätte sie gelächelt. Es
wäre nur das Lächeln einer Schlange geworden. Aber nicht mal dazu taugte ihr
verhärtetes Gemüt.
„Die Internatsschule!“ sagte
sie.
„Die?“ Francesca hob die
Brauen. „Zugegeben — das Gelände ist ideal:
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