Das Geiseldrama
bewußtlos.“
„Das ist ein Ding!“ rief Karl
und stürmte hinein. Augenblicke später war er zurück. „Stimmt! Er ist es. Hat
eine Kopfverletzung. Sieht schlimm aus. Er braucht ärztliche Hilfe.“
Tarzan wandte sich an den
Makler. „Nun? Wir hören!“
Görr saß auf dem Boden, hielt
sich die Schulter und hatte kalten Schweiß auf dem Gesicht. Was hinter seiner
Stirn vorging, betraf sicherlich den Weltuntergang, der garantiert heute
stattfand — jedenfalls für Otto Görr. Nicht nur, daß er 300.000 Mark Lösegeld
Lebewohl sagte — ihn beschlich auch die dumpfe Ahnung, daß ihm Polizei und
Justiz keineswegs gewogen waren.
„Ich... bin kein Terrorist“,
stieß er hervor. „Den da drin... Oh, schmerzt das!... Den, also, habe ich
niedergeschlagen. Aber... das war gestern. Bei Hagedorn, wo er nämlich mit
Dikal das Geld stehlen wollte. Dikal hat ihn dann hergebracht. Dann geschah der
Unfall, und ich habe Dikal den Schlüssel abgenommen — als ich später dazu kam.
Das mit den 300.000 war ja nur... Spaß. Hahahah!“
Er war so entmutigt wie ein
Vertreter für Kühlschränke, der am Nordpol nach Kunden sucht. Die Schulter
schmerzte entsetzlich. Aber zu Mute war ihm, als hätte er sein Rückgrat
eingebüßt — gemütsmäßig jedenfalls.
„Ihr Geständnis vermittelt uns
keinen Durchblick“, sagte Tarzan. „Aber Sie haben ja Zeit zum Erzählen, wenn
wir jetzt zurückfahren. Es wird eine lange Fahrt, denn wir rollen im
Schritt-Tempo: weil erstens nur noch einer Ihrer Arme funktioniert, weil Sie
zweitens vier Fahrräder im Kofferraum transportieren, der sich dann garantiert
nicht mehr schließen läßt, und weil drittens der bewußtlose Lotzka auf die
Rücksitze gebettet wird. Pfote und Willi — ihr quetscht euch auf den
Beifahrersitz. Karl, wir knien uns vor die Rücksitze. Ihr Wagen, Görr, hat
automatisches Getriebe. Wie schön! Dann geht’s auch einarmig.“
Görr wischte sich übers
Gesicht. Es war käsig und feucht.
Ist das nun der Fang des
Jahrhunderts? überlegte Tarzan: Lotzka und dieser Immobilien-Vermittler?
Klößchen schmunzelte von Ohr zu
Ohr. Eine Rückfahrt im Jaguar war ganz in seinem Sinne.
„Äh“, sagte er, „wenn wir den Terroristen-Häuptling
in die Karre schleppen, helfe ich kräftig. Aber erst... äh... sehe ich mich mal
rasch in der Hütte um. Vielleicht finde ich — ihr wißt schon — eine Konserve
mit Rindsrouladen.“
*
An der Sitzung des Krisenstabes
nahmen außer Glockner, Bolte und einigen Experten ( Fachleuten ) für
staatsfeindliche Umtriebe auch der Oberbürgermeister und der Polizeipräsident
teil.
Die Sitzung dauerte nur 25
Minuten. Denn eigentlich wußte man nicht, worüber man beraten sollte.
Handelte es sich bei der Anruferin
wirklich um die Terroristin Francesca Oliviri? Oder um einen Spaßvogel? Steckte
der zweite Anrufer, der die 300.000 Mark für Lotzkas Versteck verlangte, unter
einer Decke mit ihr? War das Ganze ein Trick, ein Luftgeschäft — um der
öffentlichen Hand Geld abzuluchsen?
Auch was Dikal betraf, traten
die ermittelnden Beamten auf der Stelle. Der Studienassessor war noch nicht
vernehmungsfähig. Außerdem war nicht zu erwarten, daß er sich selbst belastete.
„Wir verstärken die Fahndung
nach den Terroristen“, faßte der Polizeipräsident das Ergebnis zusammen. „Mehr
können wir im Moment nicht tun. Warten wir ab, ob sich die Anrufer wieder
melden.“ Er wandte sich an Glockner. „Der Mann, der uns Lotzka verkaufen will,
ruft um halb zwei an?“
Glockner bestätigte das.
„Sagen Sie zu. Dann hören wir,
wie es weitergeht. Bei der ersten Kontaktaufnahme schnappen wir ihn.“
Bereits um 13.25 Uhr saß
Glockner wieder an seinem Schreibtisch.
Auf den Anruf wartete er
vergebens.
Aber dann, mit dem Zeitzeichen
für 14.00 Uhr, klingelte sein Telefon.
„Hier spricht Francesca
Oliviri“, meldete sich die Frau. „Habt ihr begriffen, ihr Bullen, daß was
Schreckliches passiert, wenn ihr Lotzka nicht freilaßt?“
„Tut mir leid.“ Glockner blieb
ruhig. „Sie haben zwar versucht, die Öffentlichkeit einzuschalten, indem Sie
die Medien verständigten, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß wir Arved
von Latzka nicht haben. Auch wissen wir nicht, wo er sich befindet.“
„Ist das dein letztes Wort,
Bulle?“
„Begreifen Sie denn nicht? Wir
können niemanden freilassen, den wir nicht haben.“
„Na, schön!“ sagte die Frau in
verändertem Ton. „Ihr habt die Folgen zu tragen.“
Damit war die
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