Das Geiseldrama
Verbindung
unterbrochen.
Der zweite Apparat auf
Glockners Schreibtisch klingelte. Ein Techniker teilte mit, daß die Zeit leider
nicht ausgereicht hätte, um festzustellen, von wo angerufen wurde.
Gabys Vater hielt noch den
Hörer in der Hand, als Bolte hereinschneite.
„Bis jetzt haben wir 57
Anrufer. Sehr unangenehm! Was in den Nachrichten gebracht wurde, ist auf
fruchtbaren Boden gefallen. Die Leute haben Angst. Die Drohung der Terroristen
wirkt. Die Mehrzahl der Anrufer will wissen, ob sich Lotzka wirklich in
Polizeigewahrsam befinde. Wenn ja, dann sollen wir ihn freilassen. Das wäre das
kleinere Übel.“
„Es läuft darauf hinaus, daß wir
uns mit einer offiziellen Erklärung an die Öffentlichkeit wenden müssen.“
Kommissar Glockner stand auf
und trat zum Fenster. Draußen war ein herrlicher Sommertag. Auf dem Platz vor
dem Präsidium bewegten sich Autoschlangen aneinander vorbei. Streifenwagen
kamen. Andere fuhren ab.
Sein Blick fiel auf eine
Jaguar-Limousine. Sie übte sich als Verkehrshindernis, kroch im Schneckentempo
voran, scherte jetzt aus und rollte in eine der Parklücken neben dem Portal.
Der Kofferraum war geöffnet und mit sperrigem Gepäck gefüllt, nämlich mit
Fahrrädern. Den Deckel hatte man mit einem Strick auf halbe Öffnungshöhe
gebunden.
Jetzt öffnete sich die linke
Vordertür.
Verblüfft beugte Glockner sich
vor.
„Das ist ja Gaby.“
Auch Klößchen stieg aus. Karl
und Tarzan folgten. Tarzan riß die Fahrertür auf und zog oder zerrte einen
weißblonden Mann ins Freie, dessen rechter Arm wie ein leerer Ärmel von der
Schulter baumelte.
Zwei, drei Uniformierte rannten
jetzt herbei und beugten sich — mit allen Anzeichen von Aufregung — in den
Fond.
Es war genau 14.04 Uhr — vier
Minuten nach dem Anruf der Terroristin Francesca Oliviri.
11. Kein
Samstag wie jeder andere
Sonne beschien die winkligen
Gassen des Altstadtviertels. Alte Häuser verträumten den Nachmittag. Kinder
spielten auf Hinterhöfen. Metallisches Hämmern dröhnte aus einer Spenglerei.
Auf dem Dachgarten eines Hauses sonnten sich drei junge Frauen, denen die Zeit
fehlte, um ins Schwimmbad zu fahren. Die TKKG-Bande bog um die Ecke und radelte
— sozusagen im Gleichtritt — Gabys Zuhause entgegen.
Sie hielten vor Frau Glockners
Lebensmittelgeschäft.
„Ob deine Mutter
Rindsrouladen-Konserven hat, Pfote? In der Hütte waren ja keine.“
„Mein Gott! Willi!“ sagte Karl.
„Du gehörst zu den Helden des Tages. Statt dem Ruhm zuliebe eine gute Figur zu
machen, denkst du nur ans Fressen. Einmal möchte ich erleben, daß du
ausreichend gesättigt bist.“
„Was soll ich denn machen, wenn
man mir nur noch gelegentlich Mahlzeiten bietet?“ verteidigte sich Klößchen.
Im Geschäft war kein Kunde, wie
Tarzan durchs Schaufenster feststellte. Also traten sie ein.
Klößchen bemühte sich um eine
harmlose Miene, konnte aber nicht verbergen, daß er — zumindest einen —
Hintergedanken und gewisse Hoffnungen hatte. Seine Freunde interessierte das
nicht. Und Margot Glockner wurde so von den Neuigkeiten eingefangen, daß sie
Klößchens Kohldampf nicht bemerkte.
Gaby, Tarzan und Karl
wechselten sich ab beim Erzählen.
Görr hatte alles gestanden.
Unklarheiten waren ausgeräumt. Die Polizei machte sich ein Bild von den Ereignissen.
Damit stand auch fest, welche Rolle Jens Dikal spielte.
„Er ist natürlich kein
Terrorist, der im Untergrund lebt“, sagte Gaby, „denn er wohnt im Internat.
Also war er bei den Terroristen nur so eine Art freier Mitarbeiter. Aber das
genügt. Sein Zustand ist immer noch ernst, an Vernehmung nicht zu denken, wie
Papi sagt. Noch schlimmer steht es mit Lotzka. Er schwebt in Lebensgefahr und
liegt jetzt auf dem Operationstisch. Görr sitzt hinter Gittern. Er ist in die
Sache nur reingerutscht, hat aber schwere Schuld auf sich geladen. Geldgier ist
sein Verhängnis.“
„Unfaßlich!“ Gabys Mutter
schüttelt den Kopf.
Sie war eine sehr aparte Frau,
die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter enorm. Frau Glockners Anblick
verriet, wie Gaby später mal aussehen würde. Daran mußte Tarzan oft denken.
„Durch die veränderte
Situation“, sagte er, „erhält der Anruf der Terroristin natürlich ein ganz
anderes Gewicht. Man geht jetzt davon aus, daß es sich wirklich um Francesca
Oliviri handelt. Von Lotzka und Dikal ist nichts zu erfahren. Görr weiß nichts.
Erwin Roland hat alles ausgesagt, was ihm über die Brigade Staatsfeind bekannt
ist. Aber die Typen
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