Das Geiseldrama
besuchen unsere Tochter.“
„Dann gute Fahrt und ein
schönes Wochenende“, wünschte Hanna. Sie ging zu Schorbach zurück.
„Wir werden leichtes Spiel
haben“, sagte sie.
Er nickte. „Das Terrain ( Gelände )
könnte nicht besser sein. Habe mir alles eingeprägt. Vom Dach des Hauptgebäudes
dort lassen sich alle strategisch ( kriegstechnisch ) wichtigen Punkte
überblicken. Da genügt einer von uns als Wache. Und wenn wir schließlich die
Platte putzen — mit Arved und den Geiseln —, brauchen wir nur über den Feldweg
zu eiern: zu der Landstraße dort. Sie führt schlankweg dorthin, wo unser
Lufttaxi wartet: zum Schiefen Turm. Da kann nichts schief gehen.“
*
An diesem Samstag, der später
in der Chronik der Stadt als DIE INTERNATS-BESETZUNG festgehalten wurde, ging
die Sonne um 4.21 Uhr auf.
Aber das bemerkten nur die
Singvögel und einige Zecher, die erst um diese Zeit heimwärts torkelten, weil
in den Weinstuben schlechtgelaunte Kellner endlich aufstuhlten.
Die Menschheit schlief noch.
Klößchen schnarchte, und er
würde noch sehr lange schnarchen, denn zum einen war schulfrei, zum andern sah
Tarzan davon ab, ihn aus dem Bett zu jagen. Deshalb würde Klößchen den ersten
Akt des Dramas verpassen.
Auch Tarzan pennte. Aber zwei
Stunden später wurde sein Schlaf so leicht, daß ein Sonnenstrahl genügte, um
den Anführer der TKKG-Bande zu wecken. Er schwang die Beine aus dem Bett, rieb
sich die Augen, trat zum Fenster und stellte fest, daß das herrliche
Sommerwetter anhielt.
Dann fiel ihm ein, daß er heute
seine geliebte Gaby nicht sehen würde, und sofort kamen ein paar Gewitterwolken
auf. Aber nur in seinem Innern. Bevor sich der Gemütszustand völlig
verfinsterte, schlurfte er in den Waschsaal und trat unter die Dusche.
Im Haus war es still mangels
Masse. Keine Schüler, kein Lärm, also nervtötende Ruhe.
Tarzan zog sich an, ohne dabei
wie ein Kater zu schleichen. Aber Klößchen hatte das Gesicht zur Wand gedreht
und sich die Decke über die Ohren gezogen.
Er hörte nicht, wie Tarzan das
ADLERNEST verließ, um sich im Speisesaal mit dem Nötigsten zu versorgen, das
ein fast 14jähriger, hochgewachsener, athletischer Junge braucht. Es waren
dies: ein großes Glas Milch und ein zusammengeklapptes Vollkornbrot. Als er das
aß, war er schon auf dem Weg zum Fahrradkeller, zumal er im Speisesaal außer
den beiden Küchenhilfen niemanden angetroffen hatte. Heute verfügte die
Heimschule wirklich nur über kleinste Besetzung.
Beim Fahrradkeller hopsten
Spatzen im Sand.
Sie suchten Frühstück, und er
half ihnen dabei, indem er sich von der Hälfte seines Butterbrotes trennte.
Die Krümel warf er aus wie ein
Sämann. Die Spatzen dankten und stritten dann gleich um die besten Brocken.
Tarzan schwang sich auf seinen
Rennesel und strampelte stadtwärts. Zu Karl. Denn bei den Viersteins in der
romantischen Villa wurden heute die Flure tapeziert.
Der Professor mit seinen beiden
linken Händen hatte sich gar nicht erst erboten. Auch Frau Vierstein konnte
sowas nicht. Aber Karl und Tarzan waren Feuer und Flamme. Kleister und was sie
sonst noch brauchten, stand bereit.
Unter vier Augen hatten sie
sich — gestern abend noch — geeinigt, auf Klößchen Hilfe zu verzichten. Das war
keine Zurücksetzung, sondern kühle Überlegung.
„Ohne Willi“, hatte Karl
überschlagen, „brauchen wir nur halb soviel Zeit und nur halb soviele Tapetenrollen.
Außerdem verhindern wird, daß er mit mindestens einem Fuß in den Kleistertopf
steigt.“
Als Tarzan in der Lindenhof
Allee ankam, wartete Karl bereits im Garten — angetan mit einem staubgrauen
Arbeitskittel.
Es war kurz nach halb acht.
*
Genau zu dieser Zeit wurde
Oskar schön gemacht. Er saß auf Gabys Bettvorleger und himmelte sein Frauchen
an, das noch im Nachthemd war, einem lila-geblümten. Vorsichtig bürstete sie
Oskars Fell. Vorsichtig, weil dabei hauchzarte Haare durch die Luft schwirrten,
aber nicht auf ihrem Bett landen sollten, auf dem jedoch schon die Tagesdecke
lag. Zum Schluß wurden Oskar die Ohren gekämmt, die sogenannten Behänge, die
besonders lang und lockig waren.
Oskar mochte die Fellpflege und
bedankte sich, indem er Gaby die Finger leckte.
Sie drückte ihn an sich, gähnte
dann herzhaft, was ja niemand sah — außer ihm, und schob ab ins Bad, um sich
selber zu pflegen.
In der Küche klapperte
Geschirr. Frau Glockner bereitete Frühstück.
Gegen halb neun verabschiedete
sich Gaby. Sie trug ihren
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