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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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du willst nicht kooperieren, Alba. Das ist schade«,
seufzte Garcia. »Die Burschen werden ihre Pflicht tun müssen,
ich kann es nicht verhindern.«
    Eine kurze Stille entstand um sie herum. Sie strengte sich
maßlos an, an den Kiefernwald und die Liebe zu Miguel zu
denken, aber ihre Gedanken liefen ihr durcheinander, und sie
wußte schon nicht mehr, ob sie träumte, und woher dieser
pestilenzialische Gestank von Schweiß und Kot und Urin kam
und zwischen anderem, nahen, deutlichen Brüllen die Stimme
dieses Fußballreporters, der finnische Tore verkündete, die mit
ihr nichts zu tun hatten. Ein brutaler Schlag warf sie zu Boden,
gewalttätige Hände stellten sie wieder auf die Füße, grausame
Finger gruben sich in ihre Brüste, quetschten ihre Brustwarzen,
und die Angst nahm von ihr Besitz. Unbekannte Stimmen
hämmerten auf sie ein, sie hörte den Namen Miguel, wußte aber
nicht, was man sie fragte, und wiederholte nur immer wieder ein
monumentales Nein, während sie auf sie einschlugen, sie
befummelten, ihr die Bluse herunterrissen, und sie konnte nicht
denken, nur nein und nein und nein wiederholen, überschlagend,
wie lange sie durchhalten würde, ehe sich ihre Kräfte
erschöpften, nicht ahnend, daß dies erst der Anfang war, bis sie
ihre Sinne schwinden fühlte und die Männer sie in Ruhe, sie für
eine Zeit, die ihr sehr kurz erschien, auf dem Boden
liegenließen.
    Plötzlich hörte sie wieder die Stimme Garcías, und sie erriet,
daß es seine Hände waren, die ihr aufstehen halfen, sie zu einem
Stuhl führten, ihre Kleider ordneten, ihr die Bluse anzogen.
    »Ach Gott«, sagte er. »Schau her, wie sie dich zugerichtet
haben. Ich habe dich gewarnt,
Alba. Jetzt versuch dich
zu
beruhigen, ich gebe dir eine Tasse Kaffee.«
    Alba brach in Weinen aus. Die lauwarme Flüssigkeit belebte
sie wieder, aber sie schmeckte sie nicht, weil sie mit ihr
zusammen Blut schluckte. Garcia hielt die Tasse, die er
aufmerksam wie ein Krankenwärter an ihren Mund führte.
»Möchtest du rauchen?«
     
»Ich will auf die Toilette«, sagte sie, mit geschwollenen
    Lippen jede Silbe artikulierend.
»Selbstverständlich, Alba. Sie werden dich auf die Toilette
führen, und danach kannst du ausruhen. Ich bin dein Freund, ich
verstehe deine Lage vollkommen. Du bist verliebt, und deshalb
schützt du ihn. Ich weiß, daß du mit der Guerilla nichts zu tun
hast. Aber meine Burschen glauben mir das nicht, wenn ich es
ihnen sage, sie geben sich erst zufrieden, wenn du ihnen sagst,
wo Miguel ist. In Wirklichkeit haben sie ihn schon eingekreist,
sie wissen, wo er ist, sie werden ihn auch so kriegen, aber sie
wollen sicher sein, daß du mit der Guerilla nichts zu tun hast,
verstehst du? Wenn du ihn schützt, wenn du dich weigerst zu
spreche n, werden sie dich weiter verdächtigen. Sag ihnen, was
sie wissen wollen, und ich selbst bringe dich nach Hause. Du
wirst es ihnen sagen, nicht wahr?«
»Ich will auf die Toilette«, sagte Alba.
»Ich seh schon, daß du genauso stur bist wie dein Großvater.
Gut, geh auf die Toilette. Ich werde dir Gelegenheit geben, ein
wenig nachzudenken«, sagte Garcia.
Sie führten sie in eine Toilette, und sie mußte dulden, daß ein
Mann neben ihr stand und sie am Arm hielt. Dann brachten sie
sie in ihre Zelle. In dem kleinen, einsamen Würfel, der ihr
Gefängnis war, versuchte sie ihre Gedanken zu sammeln, aber
der Schmerz von den Schlägen, der Durst, die auf die Schläfen
drückende Augenbinde, der ohrenbetäubende Lärm aus dem
Radio, die panische Angst vor Schritten, die sich näherten, und
die Erleichterung, wenn sie sich wieder entfernten, die Schreie
und die Befehle marterten sie. Sie legte sich auf den Boden,
eingerollt wie ein Fötus, und überließ sich ihren vielfältigen
Leiden. So lag sie mehrere Stunden, vielleicht Tage. Zweimal
holte ein Mann sie heraus und führte sie zu einer stinkenden
Latrine, wo sie sich nicht waschen konnte, weil es kein Wasser
gab. Er gab ihr eine Minute Zeit und setzte sie zusammen mit
einem anderen, wie sie stillschweigenden Menschen auf die
Schüssel. Sie konnte nicht erraten, ob es eine Frau oder ein
Mann war. Zuerst weinte sie, bedauernd, daß ihr Onkel Nicolas
ihr nicht ein Sondertraining gegeben hatte, um die
Demütigungen zu ertragen, die ihr schlimmer erschienen als der
Schmerz, aber schließlich fand sie sich mit ihrem Schmutz ab
und dachte nicht mehr an das unerträgliche Bedürfnis, sich zu
waschen. Sie brachten ihr jungen Mais zu essen,

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