Das Geisterhaus
Unwürdigkeit, unter dem er in ihrer Gegenwart so oft
gelitten hatte, und Haß auf ihre Opferbereitschaft, ihre Strenge,
ihre Berufung zur Armut und ihre unerschütterliche Keuschheit,
die er als stillen Vorwurf gegen seine egoistische, sinnliche und
machtgierige Art empfand. »Der Teufel soll dich holen!«
knurrte er, nicht einmal im hintersten Winkel seines Herzens
bereit, sich einzugestehen, daß ihm seine Frau, nachdem er
Férula aus dem Haus geworfen hatte, nicht mehr gehörte als
früher.
»Warum hat sie so gelebt, wo sie doch mehr als genug Geld
hatte?« schrie Esteban.
»Weil ihr das übrige gefehlt hat«, antwortete Clara sanft.
Während der Monate, die sie getrennt waren, tauschten
Bianca und Pedro Tercero per Post flammende Botschaften, die
er mit einem Frauennamen unterschrieb und die sie versteckte,
sobald sie kamen. Einen oder zwei fing die Nana ab, aber sie
konnte nicht lesen, und hätte sie es gekonnt, hätte der
Geheimkode sie daran gehindert, den Inhalt zu verstehen,
glücklicherweise, denn ihr wäre das Herz gebrochen. Bianca
verbrachte den Winter strickend an einem Pullover aus
schottischer Wolle, in Gedanken an die Maße Pedro Terceros.
Nachts schlief sie mit dem Strickzeug in ihren Armen ein, den
Geruch der Wolle atmend, träumend, er schliefe in ihrem Bett.
Pedro Tercero brachte den Winter damit zu, Lieder zur Gitarre
zu schreiben, die er Bianca vorsingen würde, und in jedes Stück
Holz, das ihm unter die Hände kam, ihr Bild zu schnitzen, und
konnte den Gedanken an das engelhafte Mädchen, das Bianca in
seiner Erinnerung war, nicht trennen von den Gewitterstürmen,
die sein Blut aufwühlten, seine Knochen weich machten, seine
Stimme brachen und Haare an seinem Kinn wachsen ließen.
Unruhig zappelte er zwischen den Bedürfnissen seines Körpers,
der sich in den eines Mannes verwandelte, und der Zartheit eines
Gefühls, das noch geprägt war von den unschuldigen
Kinderspielen. Beide warteten sie in schmerzhafter Ungeduld
auf den Sommer, und als er gekommen war und sie sich
wiedersahen, paßte Pedro Tercero nicht in den Pullover, den
Bianca gestrickt hatte, weil er in diesen Monaten die Kindheit
abgestreift und die Maße eines erwachsenen Mannes erreicht
hatte, und sie fand die zärtlichen Lieder über Blumen und
Sonnenaufgänge, die er für sie komponiert hatte, lächerlich, weil
sie äußerlich und in ihren Bedürfnissen eine Frau geworden war.
Pedro Tercero war noch immer der magere Junge mit dem
drahtigen Haar und den traurigen Augen, aber seine Stimme
hatte den rauhen, leidenschaftlichen Klang angenommen, der
ihn später, als er die Revolution besang, berühmt machen sollte.
Er sprach wenig und war rauh und ungeschliffen im Umgang,
aber zart und feinfühlig mit seinen Händen, den langen
Künstlerfingern, mit denen er ebenso mühelos schnitzte, Gitarre
spielte und zeichnete, wie er beim Reiten das Pferd zugehe,
beim Holzhacken die Axt schwang oder den Pflug führte. Er war
der einzige auf den Drei Marien, der dem Patron die Stirn bot.
Sein Vater, Pedro Segundo García, sagte ihm tausendmal, er
dürfe dem Patron nicht in die Augen sehen, ihm nicht
widersprechen, sich nicht mit ihm anlegen, und in dem Wunsch,
ihn zu schützen, gab er ihm tüchtige Prügel, um ihm den
Vorwitz auszutreiben. Aber sein Sohn war rebellisch. Mit zehn
Jahren wußte er soviel wie die Lehrerin in der Schule auf den
Drei Marien, mit zwölf bestand er darauf, die Oberschule zu
besuchen, und legte jede Morgen zu Fuß oder zu Pferd, es
mochte donnern oder regnen, den langen Weg ins Dorf zurück.
Unzählige Male las er die magischen Bücher aus den
verwunschenen Koffern des Onkels Marcos und andere Bücher,
die ihm die Gewerkschafter in der Bar von San Lucas liehen,
oder Pater José Dulce
Maria, der ihn auch anhielt, seine
natürliche Begabung zum Verseschreiben zu pflegen und seine
Ideen in Lieder umzusetzen.
»Die heilige Mutter Kirche, mein Sohn, steht rechts, aber
Jesus Christus stand immer links«, sagte er rätselhaft zwischen
dem einen und dem anderen Schluck von dem Meßwein, mit
dem er die Besuche Pedro Terceros feierte.
So geschah es, daß Esteban Trueba ihn eines Tages, als er
nach dem Essen auf der Terrasse ruhte, von ein paar Hennen
singen hörte, die sich zusammenschlössen, um den Fuchs zu
schlagen, und ihn besiegten. Er rief ihn zu sich.
»Laß hören, was du da singst«, befahl er.
Pedro Tercero griff liebevoll nach seiner Gitarre, stellte den
einen Fuß
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