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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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auf einen Stuhl und griff in die Saiten. Sein Blick war
fest auf den Patron gerichtet, während seine samtige Stimme
sich leidenschaftlich über die schläfrige Mittagsstunde erhob.
Esteban Trueba war nicht dumm, er verstand die
Herausforderung.
»Aha! Ich sehe, daß man in Liedern auch das Dümmste sagen
kann«, knurrte er. »Sieh lieber zu, daß du Liebeslieder singen
lernst!«
»Mir gefällt dieses Lied, Patron. Einigkeit macht stark, das
sagt auch Pater José Dulce Maria. Was bleibt den Menschen,
wenn die Hennen gegen den Fuchs Front machen können?«
Und er nahm seine Gitarre und ging, die Füße nachziehend,
davon, ohne daß dem ändern eine passende Antwort einfiel,
obwohl ihm die Wut schon auf den Lippen lag und sein
Blutdruck stieg. Von diesem Tag an behielt ihn Esteban Trueba
im Auge, beobachtete ihn, mißtraute ihm. Er suchte zu
verhindern, daß er zur Schule ging, indem er ihm schwere
Männerarbeit auferlegte, aber der Junge stand noch zeitiger auf
und legte sich später schlafen, um sie auszuführen. In diesem
Jahr war es, daß Esteban ihn vor seinem Vater auspeitschte, weil
er den Hintersassen die neuen Ideen zutrug, die unter den
Gewerkschaftern im Dorf zirkulierten, Ideen von einem freien
Sonntag, von Mindestlohn, von Altersversicherung und
medizinischer Betreuung, von Mutterschaftsurlaub für
schwangere Frauen, von Wahlen ohne Pression und, das
Schlimmste, die Idee von einem Bauernverband, der gegen den
Gutsherrn Front machen könnte.
Als Bianca in diesem Sommer auf die Drei Marien kam, hätte
sie ihn kaum wiedererkannt: er war fünfzehn Zentimeter
gewachsen und hatte den dickbäuchigen Jungen, mit dem sie
alle Sommer ihrer Kindheit verbracht hatte, weit hinter sich
gelassen. Sie stieg vom Wagen, strich sich den Rock glatt, aber
statt ihm entgegenzulaufen und ihn zu umarmen, grüßte sie ihn
diesmal nur mit einem leichten Kopfnicken, obwohl ihre Augen
ihm sagten, was die anderen nicht hören sollten und was sie ihm
in ihren schamlosen verschlüsselten Briefen längst gesagt hatte.
Die Nana beobachtete die Szene aus den Augenwinkeln und
lächelte spöttisch. Als sie an Pedro Tercero vorbeiging, schnitt
sie ihm eine Grimasse.
»Lern endlich, unter deinesgleichen zu bleiben, du Rotznase,
und nicht mit Fräuleins zu gehen«, zischelte sie hämisch.
In dieser Nacht aß Bianca mit der ganzen Familie im
Eßzimmer den Hühnertopf, mit dem sie jedes Jahr auf den Drei
Marien empfangen wurden. Auch nach Tisch, als ihr Vater beim
Cognac des längeren über importierte Kühe und Goldminen
sprach, war ihr keine Unruhe anzumerken. Sie wartete, bis ihre
Mutter die Tafel aufhob, dann stand sie geruhsam auf, wünschte
ihren Eltern eine gute Nacht und ging in ihr Zimmer. Zum
erstenmal in ihrem Leben verriegelte sie ihre Tür. Ohne sich
auszuziehen, setzte sie sich auf ihr Bett und wartete in der
Dunkelheit, bis die Stimmen der im Zimmer nebenan tobenden
Zwillinge, die Schritte der Dienstboten, die Geräusche von
Türen und Riegeln verstummt waren und das Haus in Schlaf
fiel. Dann öffnete sie das Fenster und sprang hinaus, mitten in
die vor Jahren von ihrer Tante Férula gepflanzten Hortensien.
Die Nacht war hell, Grillen und Frösche waren zu hören. Sie
atmete tief, und die Luft wehte ihr den süßen Geruch der
Pfirsiche zu, die im Hof zum Trocknen lagen. Sie wartete, bis
sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann begann
sie zu gehen, hielt aber gleich wieder an, weil sie das wütende
Gebell der Wachhunde hörte, die nachts freigelassen wurden. Es
waren vier Bulldoggen, an der Kette aufgewachsen und tagsüber
eingesperrt, die sie nie von nahe gesehen hatten, die sie also
auch, wie sie wußte, nicht erkennen würden. Sekundenlang
fühlte sie, wie sie in panischer Angst den Kopf verlor und nahe
daran war aufzuschreien, bis ihr Pedro Garcia der Alte einfiel,
der ihr gesagt hatte, daß Diebe nackt gingen, um nicht von
Hunden angefallen zu werden. Sie zögerte nicht. So rasch ihre
Aufregung es zuließ, warf sie die Kleider ab, nahm sie unter den
Arm und ging ruhig weiter, betend, daß die Hunde ihre Angst
nicht rochen. Sie sah, wie sie laut bellend heranstürmten, und
setzte ihren Weg fort, ohne die Gangart zu ändern. Die Hunde
näherten sich, ratlos knurrend, aber sie blieb nicht stehen. Einer,
mutiger als die anderen, kam und beroch sie. Sie spürte einen
Schwall heißen Atems im Rücken, reagierte aber nicht. Eine
Zeitlang knurrten und bellten die Hunde

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