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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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die toten Vögel auf den Tisch, leblos baumelten die Hälse über die Tischkante. Den groben Sack legte sie nach hinten, um ihn später auszuwaschen. Geschäftig krempelten sich die beiden Frauen die Ärmel hoch. Da erschallte aus der Ecke der Küche ein markerschütternder Schrei. Erschrocken richtete Barthel sich auf und blickte verschlafen und ratlos umher. Maroni sprang, für ihre alten Tage überraschend schnell, unter den Tisch, und Johanna schrie entsetzt: »Um Gottes willen, was war denn das?« Yrmel hatte am schnellsten erfasst, wer sich hier die Angst aus dem Leib schrie, und hastete in die Ecke, um die um sich schlagende Gretlin mit beiden Armen auf den Boden zu drücken. »Der Geruch, Yrmel, der Geruch, da der Sack, Yrmel!« Gretlin schrie und gebärdete sich wie eine Furie. Mit bleichem Gesicht und großen Augen zeigte sie auf den groben Sack, der zu ihren Füßen lag, genau dort, wo ihn Yrmel zuvor hingelegt hatte. Einen Moment lang zauderte Yrmel, und Gretlin nutzte diesen unbedachten Augenblick, um sich loszureißen und würgend die Küche zu verlassen. Durch die offene Tür hörte man, wie sich die junge Frau im Klosterhof erbrach. Johanna spähte nach draußen, bereit, einzugreifen, wenn Gretlin sie brauchte. Ohne die junge Frau aus den Augen zu lassen, sprach sie beruhigend zu Barthel, der aufgesprungen war und sich erschüttert am Tisch anhalten musste.
    »Nach dem, was du mir erzählt hast, Barthel, ist es nicht verwunderlich, dass sie beim Anblick der toten Viecher hier auszuckt und sich bei dem Gestank nach Blut übergeben muss.«
    Mit zitternder Stimme antwortete der Hauerknecht: »Wenn des alles nur so afoch warad, Hannerl. Aber du hast net gsehn, wie sie aussikemma is, die Gretlin, aus der Kirchn. Wie der Racheengel! Meiner Seel, des werd i nie vergessen. I hob net glaubt, dass sie zu so was fähig is!«
    Erschrocken drehte sich Johanna um und fuhr sich mit der Hand an den Mund. Erst jetzt wurde ihr die Tragweite dessen, was ihr der verzweifelte Hauerknecht sagen wollte, bewusst.
    »Du meinst, Barthel, dass die Gretlin …«, fassungslos brach sie ab und atmete tief ein.
    »Es schaut zumindest so aus. Es war ja sonst niemand drinnen. Da Vickerl hat gsagt, dass nur der Bruder in sein Bluat da drin glegn is. Und rauskemma hab ich sie ja gsehn, unsere Gretlin, mit eigenen Augen!«
    Erschüttert blickte Hannerl noch einmal nach draußen, wo Gretlin sich inzwischen am Brunnen Gesicht und Hände wusch, und setzte sich dann schwer um Luft ringend auf die Küchenbank.
    »Weißt du denn, Barthel, was du da sagst?«, fragte sie bestürzt.
    »I kanns net ändern, Hannerl. Wenn i könnt, dann tät ich’s, kannst ma glauben.«
    Beide, Johanna und Barthel, versanken in ihre eigenen Gedanken und blickten starr vor sich auf die grobe, vom vielen Arbeiten schon recht mitgenommene Tischplatte und schwiegen. Niemand bemerkte, dass Yrmel die ganze Zeit, nachdem Gretlin in den Hof gelaufen war, in der Ecke saß und den blutigen Sack in beiden Händen hielt. Immer wieder roch sie an dem groben Stoff, und ihre gefurchte Stirn ließ darauf schließen, dass sie angestrengt nachdachte. Dann, mit einem Mal – die beiden Alten am Tisch schwiegen noch immer und nahmen nichts in ihrer Umgebung wahr – stand sie leise auf und ging festen und entschlossenen Schrittes zur Tür hinaus. Wäre Gretlin nicht damit beschäftigt gewesen, sich am Brunnen zu säubern und wären die Büßerinnen nicht in der Kirche zur Abendmesse versammelt gewesen, dann hätte zumindest irgendjemand gesehen, wie Yrmel ganz ruhig das Kloster Sankt Hieronymus über die Gartenpforte zur Singerstraße verließ, sich nicht im Mindesten um das Ausgangsverbot scherte und fest entschlossen ihrer eigenen Wege ging. So aber bemerkte nur der alte Köter Maroni, dass seine schweigsame, sanfte Freundin den Schutz des Klosters verließ und sich den Gefahren der Stadt stellte. Die Hündin winselte zwar leise, aber wer sollte denn dieser räudigen Kreatur Beachtung schenken?

    *

    »Ja, sapperlot«, der Ausrufer Laurenz Löschenprant hoch oben am steinernen Balkon der Schranne knallte mit einem Holzhammer so heftig auf den groben Tisch, dass man es vom Fischmarkt im nördlichen Teil des Hohen Marktes bis zum Zunfthaus der Tuchbereiter ganz unten im Süden hörte. »Jetzt halt’s doch allesamt amal eure Goschen!«, brüllte er und raufte sich sein verschwitztes in alle Richtungen abstehendes Haar. An der Witterung konnte es nicht liegen, es war früher

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