Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Nachmittag und schon empfindlich kühl geworden, vielmehr hatte es heute, am Vortag zum großen Scharlachrennen, schon viel zu viel zu tun gegeben. Das Vermessen des Scharlachs war an und für sich schon eine schwierige Angelegenheit, denn ein 20 Ellen langer, wertvoller Stoff musste ja erst einmal mit gebührenden Ehren her gebracht, von allen bewundert und dann auch noch Zoll für Zoll sorgfältig abgemessen werden. Der Preis war ja immerhin 30 ungarische Gulden wert! Eine schwierige Geschichte! Dann die Trompeter und ihre Fanfaren, und dazwischen musste der arme Ausrufer Löschenprant ja noch die Preise für die Sieger so lautstark verkünden, dass wirklich jeder noch so derische Wiener verstand, worum es ging. Ja, dachte sich Löschenprant, wenn’s net der Ehre wegen wäre, dann würd ich auf den ganzen Zirkus da sowieso pfeifen! Aber so fuhr er sich noch einmal durch sein wirres Haar, gab den Trompetern ein Zeichen und nach der ersten Fanfare schrie er: »Das Scharlachtuch für den Sieger der Lauffenden Rösser.« Unbändiger Jubel brandete auf und Rufe wie »Ein Hoch dem Herzog«, der ja schließlich den Preis gestiftet hatte, waren zu hören. Nach der zweiten Fanfare ertönte es: »Eine Spansau für den Zweiten«, wieder Jubel von den Zuschauern, etwas verhalten zwar, aber nur weil einem Gutteil der Leute schon das Wasser im Mund zusammenlief, wenn sie an das Spanferkel dachten, knusprig gebraten, mit Knoblauch gewürzt, mit Äpfeln gefüllt. Wer kann schon schlucken und jubeln gleichzeitig? Mit neuem Elan setzte Laurenz zum dritten Schrei an: »Und eine Armbrust für den Dritten!« Höflicher Applaus folgte.
Nachdem er den Preis für die Lauffenden Mannen, also jene, die am nächsten Tag ohne Pferd, aber mit läuferisch trainierten Waden an den Start gehen wollten, verkündet hatte: »Zwei Stück Barchent-Tuch für den Schnellsten«, hielt der Ausrufer erschöpft inne. Jetzt musste er noch die besonderen Gesetze, die während des Scharlachrennens galten, verkünden, und das war sehr anstrengend, weil es mehr als nur ein Ausruf, sondern eine ganze Litanei war. Frisch ans Werk, dachte er, räusperte sich kurz, machte einen großen Schluck aus dem bereitstehenden Becher Met und begann:
»Der allerhöchste Herzog gewährt morgen zu Santa Katharina anlässlich des Volksfestes der laufenden Pferde Zollfreiheit!«
Laute Jubelrufe drangen aus der Richtung der Kaufleute an das Ohr des Ausrufers, war es doch ein Geschenk, seine Waren endlich einmal billig einführen und am Jahrmarkt dann teuer verkaufen zu dürfen!
»Außerdem«, fuhr Löschenprant nach einem weiteren Schluck Met fort, »müssen alle Rösser mit einem Zeichen versehen werden und sich beim Rathaus in der Salvatorgasse noch heute melden.«
»Mei Pferd kan sie oba net mödn, des kann nur fressen, scheißen und sehr schnö renna«, erdreistete sich da ein junger Reiter und erntete von den Umstehenden quietschende Lacher und laute Pfiffe.
»Ja Depp bleda«, zischte Löschenprant, um sich gleich wieder seines Amtes zu besinnen, »die Reiter mögen sich noch heute zum Rathaus begeben und ihre Pferde in eine Liste eintragen lassen! Dabei ist für jedes Pferd eine Gebühr von einem ungarischen Gulden zu hinterlegen.«
Zustimmendes Gemurmel und vereinzelte Lacher von jenen, die den Witz von vorhin erst jetzt verstanden hatten.
»Unser allerhöchster Bürgermeister lässt ausrichten, dass, wer immer die Pferde in ihrem Lauf stört, das Scharlachtuch bezahlen muss. Hat er nicht die nötigen Mittel, so wird ihm die rechte Hand abgehackt.«
Ein Raunen ging durch die Menge, denn man wusste, dass es sich da keinesfalls um einen Scherz handelte.
Laurenz Löschenprant schnaufte schon bedenklich, aber er hielt sich weiter aufrecht und nach einem weiteren kräftigen Schluck fuhr er mit lauter Stimme fort: »Nach den Pferden kommen die Lauffenden Mannen, die nach dem Rennen in das Haus des Bürgermeisters zu einem Umtrunk und einem Mahl geladen sind.«
Wieder jubelten die Wiener, und so mancher bedauerte spätestens jetzt, dass er seine Beine zu schwach und seinen Bauch zu groß hatte werden lassen, denn beim Bürgermeister zu tafeln, ja, das wäre schon eine große Ehre!
»Und nun zum letzten Teil«, Laurenz Löschenprant leckte sich die Lippen, plusterte sich auf und setzte zu seinem persönlichen Finale an: »Nach den Rössern und den Mannen werden auf allerhöchsten Wunsch die freien Töchter um ein Barchenttuch laufen!« Tosender Applaus, lautes Pfeifen
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