Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Düften aller Art gefüllt hatte, meinte Gretlin müde: »Ach Yrmel, ich kann nicht einmal mehr Rosenöl von Lauch unterscheiden. Riecht für mich alles gleich. Ich komm einfach nicht drauf.« Verständnisvoll räumte Yrmel alle Utensilien weg, nicht auszudenken, wenn Johanna die Unordnung sah, die sie angerichtet hatte!
Angstvoll wandte sich Gretlin an Yrmel und hielt sich wie ein kleines Kind am Schürzenzipfel der Älteren fest: »Es ist wieder da. Das Böse ist wieder zu mir gekommen, Yrmel. Dieses Mal wird es mich besiegen.« Beruhigend strich Yrmel über das blonde Haar Gretlins, das sich vollends aus der Haube gelöst hatte. Tränen rannen über die Wangen des Mädchens, als es ganz leise fortfuhr: »Ich kann mich nicht mehr zur Wehr setzen, es kommt wieder näher, das Böse! Ich komme mir vor, als würde ich in ein schwarzes Loch fallen. Yrmel, was soll ich nur machen?« Hoffnungsvoll sah sie auf und erkannte, dass auch Yrmel weinte. Lautlos, verhalten und doch so verzweifelt. Lang standen die beiden Frauen nebeneinander, nur das Knacken des Holzes in der Feuerstelle, das Brodeln des Wassers im Kessel, der immer darüber hing, und das Schnarchen des alten Hundes waren zu hören. Dann, zuerst leise und weit weg, aber langsam und stetig immer lauter und näher vernahmen Gretlin und Yrmel aufgeregte Stimmen aus dem Klosterhof. Sie blickten sich an, und Yrmel nickte. Beide wussten, was jetzt kam: ein Donnerwetter in Form einer aufgebrachten Johanna. Mit einem lauten Knall wurde die Tür geöffnet, und nicht nur Johanna Maipelt füllte mit ihrer übermächtigen Anwesenheit den niedrigen Raum, nein gleich drei Männer kamen hinter ihr, und die Klosterküche drohte, aus allen Nähten zu platzen. Nur kurz sah sie zu den beiden und mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung scheuchte sie Gretlin und Yrmel in die Ecke, gleich dorthin, wo der Hund schlief. Die beiden fügten sich wortlos, sie wussten, dass sie auch noch an die Reihe kommen würden, ein wenig Aufschub kam ihnen nur gelegen.
Johanna ließ Barthel links liegen und wandte sich an die beiden Männer, von denen der ältere, etwas füllige, sich anschickte, seinen Gürtel zu lösen. Yrmel betrachtete die Szene mit schreckensgeweiteten Augen. Was hatten die denn vor? Was würde als Nächstes kommen, würde er seine Beinkleider ablegen? Das darf doch alles nicht wahr sein, dachte sie und sah dann erleichtert, wie der Mann seinen Gürtel auf den großen Tisch legte und ihn an der Seite, die normalerweise an seinem Bauch lag, mit einem kleinen, spitzen Messer aufschlitzte. Dabei ging er sehr behutsam vor. Johanna hatte mittlerweile ein kleines Leinensäckchen aus der Truhe geholt und hielt es auf. Der Mann leerte den Inhalt des Gürtels, der nun wie ein gefüllter Lederschlauch aussah, in das Säckchen. Sofort erfüllte würziger und scharfer Geruch die Küche, und Yrmel brauchte nicht lang nachzudenken. Sie hatte Ludwig Fütterer, den geheimnisvollen Lieferanten der wertvollen Pfefferkörner, vor sich! Wortlos nahm Johanna das Säckchen an sich, verschnürte es sorgfältig und legte es ganz zuunterst in die kleinere der beiden Küchentruhen. Dann öffnete sie einen schon etwas abgeschlagenen, alten irdenen Topf, in dem man normalerweise Schweineschmalz aufbewahrte, und holte einen kleinen, prall gefüllten Lederbeutel hervor. Sie reichte ihn Ludwig, der ihn schnell und ohne Umschweife in den Tiefen seines weiten Gewandes verschwinden ließ. Während er die Schließe seines nun sehr dünnen Gürtels, den Heiligen Christophorus, wieder sorgfältig in der Mitte seines Bauches platzierte, murmelte er: »Immer wieder gern zu Diensten, Johanna.« Genauso leise entgegnete sie: »Gern, Ludwig. Beste Empfehlungen von der Meisterin Susanna.« Damit war der Handel perfekt, und keiner der Anwesenden verlor nur ein Sterbenswörtchen darüber. Doch Yrmel kannte Johanna wohl besser als sie sich selbst. Obwohl die Köchin vorgab, sehr ruhig zu sein, spürte sie Johannas Ungeduld und ihre bis zum Anschlag angespannten Nerven. Yrmel wusste, dass sie nur darauf brannte, die beiden vornehmen Herren aus ihrer Küche zu bekommen, um dann mit allem anderen, was ihr auf der Seele lag, aufzuräumen. Doch damit musste sie wohl noch warten, denn Ludwig Fütterer machte überhaupt keine Anstalten zu gehen, im Gegenteil, er setzte sich bequem auf die Bank, legte seine Handflächen aufeinander und sah Johanna in die Augen. Tief seufzend kam Johanna näher und setzte sich gottergeben ihm
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