Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
gegenüber.
»Was gibt es noch, Ludwig? Wie du weißt ist heute Unvorstellbares vorgefallen, und ich muss schauen, dass ich wieder alles auf die Reihe bekomme. Nächstes Mal hab ich sicher mehr Zeit für dich.«
»Ich weiß, Johanna. Ich war ja dabei. Wir waren ja dabei.« Damit zeigte er auf Sander, der nicht Platz genommen hatte, sondern stocksteif neben Ludwig stand und unentwegt in eine Richtung starrte. Ludwig folgte seinem Blick und erkannte im Halbdunkel Gretlin, die sich einfach auf den Lumpen neben ihrem schlafenden Hund niedergelassen hatte und mit den Fingerspitzen abwesend durch dessen Fell fuhr. Ludwig puffte Sander in die Seite, doch der reagierte nicht und starrte weiter in die Ecke. Seufzend meinte er dann: »Nun, ich darf dir Alessandro von Randegg vorstellen, Johanna. Er ist im Auftrag seines verstorbenen Oheims in Wien.« Wieder sah er zu Sander, wieder starrte der nur in die Ecke. Zornig schüttelte er jetzt den Arm des Jüngeren und meinte: »Wenn er auch einmal Manieren an den Tag legen würde, dann würde er dir ja selbst sagen, was genau er versucht, zu ergründen.« Sander, endlich ein wenig wachgerüttelt, wandte sich zu Ludwig und sagte leise: »Ich kenne sie.«
Ludwig seufzte: »In ganzen Sätzen …«
Sander lehnte sich ganz nahe an das Ohr Ludwigs und zischte noch leiser als zuvor: »Die junge Frau dort in der Ecke, die kenne ich.« Genervt winkte Ludwig ab und antwortete: »Darüber sprechen wir später. Besser wäre es, wenn du Johanna Maipelt jetzt sagen würdest, was dich nach Wien führt.«
Alexander von Randegg besann sich endlich seiner guten Manieren, verbeugte sich leicht vor Johanna und berichtete ausführlich über den Letzten Willen seines Oheims Bernhard von Randegg. Doch weder die Köchin noch der Hauerknecht hörten dem jungen Spund, wie sie ihn insgeheim nannten, zu, denn viel zu schwer war heute die Last der eigenen Sorgen. So lächelte Johanna nur teilnahmslos, nickte hin und wieder und war in Gedanken woanders. Barthel senkte sein Kinn auf die Brust und alle, die ihn gut kannten, wussten, dass er eingeschlafen war. Hier und da drangen Wortfetzen wie »Gräfin von Tirol« oder »Enkel« oder »Mindere Brüder« an das Ohr Johannas, aber sie konnte und wollte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. Endlich schien der junge Mann zu einem Ende zu kommen, denn Ludwig erhob sich, reichte ihr seine Hand zum Gruß und meinte abschließend: »Ich bin sicher, dass dir Johanna irgendwie behilflich sein kann. Sie hat ja ihre Augen und Ohren überall.« Verbindlich lächelte die Angesprochene und wusste eigentlich gar nicht, wofür sie da ihre Zustimmung gab.
Schon wollte Johanna erleichtert die Türe hinter den beiden schließen, da kam der Jüngere noch einmal zurück. Ein unsicheres Lächeln auf dem Gesicht reichte er der Köchin einen groben Sack von nicht unerheblicher Größe. Er schien auch ziemlich schwer zu sein, denn etwas außer Atem meinte Alexander von Randegg: »Wie ich gehört habe, essen Sie morgen zu Martini gern Geflügel. Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen Teil unserer Jagdbeute mitzubringen, als Geschenk sozusagen.« Johanna nahm den Sack, knüpfte die grobe Schnur auf und sah, dass sich darin eine fette Graugans, zwei Flugenten, mehrere Wachteln und Schnepfen befand. Alles frisch erlegt. Gutes Wildfleisch war mit Abstand das, was am schnellsten ein seliges Lächeln auf das Gesicht der Köchin zaubern konnte. War es doch immer wieder schwierig, auch einmal Fleisch auf den Tisch der Büßerinnen zu bringen. Schon ein wenig lebhafter bedankte sie sich und sagte: »Und gleich so viel könnt Ihr entbehren, werter Herr!«
Ludwig lachte herzhaft und zwinkerte Sander zu. Er kannte die Schwäche Johannas in Bezug auf frisches Wildfleisch. Lächelnd stellte er fest: »Wir haben in unserem Gefolge wahre Meister der Jägerei, stimmt es nicht, Alessandro?«
Sander nickte und meinte schon im Hinausgehen: »Wir haben so viel davon, dass ich es Ihnen gern überlasse.«
Johanna bedankte sich noch einmal, grüßte und schloss erleichtert die Tür. Sie reichte den schweren Sack nach hinten, wo schon Yrmel bereitstand, um ihn zu übernehmen. Ein scharfer Geruch nach noch nicht ausgenommenem Wild und Blut erfüllte die Küche. »Komm, Yrmel«, meinte Johanna müde, »das Geflügel kann noch etwas abhängen, aber dem Kaninchen müssen wir heute noch das Fell über die Ohren ziehen.« Yrmel nickte und schickte sich an, den Sack zu leeren. Nacheinander legte sie
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