Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
nur um dann gleich wieder den Blick zu senken, als Johanna den Kopf schüttelte.
»Nein, nicht du, Gretlin. Susanna meint, du hattest in letzter Zeit Aufregung genug. Du sollst schauen, dass du wieder Boden unter den Füßen bekommst. Susanna hat mir jemand anderen zur Seite gestellt.« Johannas Augen blitzten kurz zornig auf, dann fuhr sie wieder fort, Essigsachen in einen großen Weidenkorb zu packen: Birnen mit Ingwer, Zwetschken süßsauer, von den kleineren Essiggurken gleich mehrere, die Senfgurken dazu und von den süßsauren Marillen nur ein paar, die waren heuer ganz besonders gut geworden, da wollte sich Johanna noch einen Vorrat behalten. Barthel wetzte unangenehm berührt auf seinem Sitz hin und her. Verstohlen blickte er zu Gretlin, die engelsgleich in ihre Stickarbeit vertieft war. Er erinnerte sich plötzlich wieder sehr genau an die Vorfälle am Tag vor Martini und daran, dass er seitdem dem Mädchen nicht über den Weg traute. Was ging hinter dieser hübschen Stirn nur Gräuliches vor? Was war da eigentlich in der Kirche der Minderen Brüder passiert? Wickerl und sein junger Freund wollten ihm heute darüber berichten, sie hatten sich in ihren Kreisen umgehört. Vielleicht verstand Barthel dann, was da wirklich los war und konnte auch wieder der Gretlin in die Augen schauen, ohne dass es ihm kalt den Rücken hinunterlief. Brüsk schüttelte er seinen Kopf, um diese Gedanken abzuschütteln, und musste sich eingestehen, dass er eigentlich nur raus aus der sonst so gemütlichen Klosterküche wollte. Es schnürte ihm die Kehle zu, und er brauchte frische Luft. Wie auf Geheiß wurde daraufhin die Tür aufgerissen, und eine kleine, zierliche Nonne in der Ordenstracht der Magdalenerinnen oder der Reuerinnen, wie man sie in Wien nannte, kam hereingestürmt. Bevor Barthel noch sein »Oh je« anbringen konnte, setzte die Neuangekommene mit hoher, quietschender Stimme an: »Also, Johanna, ich bin gleich her, als mir die Susanna gesagt hat, dass du Hilfe brauchst. Keine Frage, ich bin da!« Kurz stemmte sie die Hände in ihr weißes Habit und plauderte munter weiter: »Wenn die Yrmel einfach so abhaut! Also, der hätt ich das ja nicht zugetraut. Aber«, damit hob sie ihren rechten Zeigefinger, »ich sag ja immer: Stille Wasser sind tief. Und still war sie ja allemal, die Yrmel«, damit bog sie sich vor Lachen.
Barthel duckte sich und erwartete einen mittelschweren Wutausbruch von Hannerl. Gretlin drückte sich noch mehr in die Ecke, und Maroni legte sich gleich noch näher zur Wand, doch es geschah – nichts. Johanna hantierte weiterhin stumm und seufzend mit ihren Krügen. Das bereitete Barthel jetzt aber doch ziemliche Sorgen. Was war nur mit seiner Hannerl los? Bekümmert hob er seinen Arm und legte ihn schwer auf den Unterarm der Nonne: »Marlen, weißt was? Halt einfach deine Goschn!« Unbeeindruckt schwatzte die aber weiter: »Morgen soll’s schon losgehen, in aller Früh – hat mir die Meisterin jedenfalls gesagt – wir fahren raus nach Sankt Marx mit deinem ganzen Krempel da!«, damit zeigte sie auf Johannas Essigsachen. Die Köchin hatte mittlerweile schon begonnen, einen zweiten Korb zu füllen. Doch scheinbar unbeeindruckt schwieg Johanna noch immer. Barthels Beklemmung wuchs, niemand hatte bisher ungestraft die süßsauren Schöpfungen der Johanna als Krempel bezeichnen dürfen. Das wusste er nur zu gut! Was also war los mit ihr, sie war doch nicht im Begriff aufzugeben, sich keinen Deut mehr um ihr Leben zu scheren?
»Also ich freu mich ja am meisten auf die ganzen Mannsbilder da draußen. Die da hoch oben zu Pferd schauen immer so schneidig aus, und die Lauffer – da sollen ja heuer ganz G’schmackige dabei sein«, plapperte die Marlen munter und schickte sich an, das Feuer im Ofen zu schüren. »Mei, saukalt is es da!«
Barthel schüttelte den Kopf und fragte sich, wie so ein männergeiles Geschöpf wie Marlen es nur geschafft hatte, in den Orden der Büßerinnen der Heiligen Maria Magdalena aufgenommen zu werden. Irgendetwas war da nicht mit rechten Dingen zugegangen. Die konnte den ärgsten Straßendirnen ja noch Unterricht geben! Ungerührt stapelte Johanna weiter ihre Krüge. Na endlich, dachte Barthel, als er die Tür wieder aufgehen sah. Endlich, der Nürnberger war da mitsamt seinem jugendlichen Schatten!
»Habt’s es g’schafft, Wickerl, trotz des Sauwetters«, meinte Barthel leutselig und deutete den beiden, Ludwig Fütterer und Alexander von Randegg, Platz zu
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