Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
ausgefasst, meine Herren!«, damit drosch sie mit der Handfläche auf den Tisch, dass die leeren Becher nur so hüpften, und jetzt begann auch sie zu schreien. Für Barthel, der eben der Wiederauferstehung seiner liebgewonnenen Hannerl beiwohnte, klang das Gekeife in seinen abstehenden Ohren wie Engelsmusik am Namensfest des Kirchenpatrons.
»Wir haben also einen jungen Mann aus Augsburg, der eigentlich Italiener ist«, damit zeigte sie auf Sander, der in sich zusammenkroch, »und der auf der Suche nach dem Enkel einer Tiroler Gräfin, die leider schon tot ist, nach Wien gekommen ist. Der obendrein die Gretlin kennt, wer weiß woher.« Mit blitzenden Augen funkelte sie das Mädchen in der Ecke an, das sich immer mehr zusammenrollte, in der Hoffnung unsichtbar werden zu können. Dann schnaubte sie Sander an, der sich mit beiden Händen an seinem Sitz festkrallte, um nicht einfach wegzulaufen.
»Dann haben wir eine entlaufene Büßerin, die obendrein stumm ist und von der niemand in dieser vermaledeiten Stadt ganze 14 Tage lang etwas gesehen haben will und dann, zu allem Überfluss«, damit schaute sie wieder Sander und Ludwig zornig an, »haben wir einen braunen Mönch, der blutend und erdrosselt in einer Kapelle liegt, obwohl er eigentlich schwarz sein sollte.« Damit machte sie eine weitausgreifende Handbewegung, die alle im Raum mit einschloss. »Wisst’s was? Ich pfeif schon langsam drauf. Ich bin ins Kloster büßen gekommen, weil ich a Ruh haben wollt von dem ganzen Durcheinander da draußen und jetzt bin ich mitten drin. Himmelkreuzdonnerwetter noch amal!« Damit drosch sie wieder auf die Tischplatte. Stille. Dann sprach Johanna laut und deutlich weiter. Und jeder, der sie nur halbwegs kannte, wusste, dass sämtliche Einwände zwecklos waren, die Köchin hatte die Führung übernommen, gleich einem riesigen Teigwender, der im Begriff war, das Unterste nach oben zu kehren.
»So und jetzt passiert alles so, wie ich das will, habt’s verstanden?« Einhelliges angstvolles Nicken von Ludwig und Sander und auch von Gretlin war zu sehen. Nur Barthel grinste und fühlte sich wieder pudelwohl. Seine Hannerl war wieder zurückgekommen! Und wie! Wie der stürmische Wiener Westwind, der die Blätter von den Bäumen fegt und die Fensterläden erzittern lässt! Ehrfurchtsvoll hörte er ihr weiter zu: »Du, Sander, gehst heute glei zu der Herzogin Beatrix. Bist ja eh schon bei Hof, da machst an Hupfer zu ihr, die scheint mir ein sehr vernünftiges Frauenzimmer zu sein. Erzählst ihr von dem Enkel, den du suchst und vom falschen Minderen Bruder, ja?« Sander nickte ergeben. In Anbetracht dieser Wiener Urgewalt konnte er mit all seinen ritterlichen Erfahrungen einpacken.
»Und du, Barthel, du schnappst dir den Krispin und den Jobst, wennst die zwei Haderlumpen findest, und ihr zieht’s durch alle Schenken und Spelunken und suchts nach der Yrmel. I hätt nie gedacht, dass ich euch einmal saufen schick, aber der Herrgott will’s anscheinend nicht anders von mir!« Barthel nickte ernst, nur seine Mundwinkel zuckten leicht.
»Und du, Ludwig, sei so nett und trag mir die Körbe raus in den Schuppen, die Gretlin soll euch leuchten! Vielleicht hast auch noch ein bisserl Muskat und Senfkörner dabei?«
»Ja freilich, Johanna«, nickte Ludwig, »in den Satteltaschen der Pferde habe ich noch ein paar Schätze für dich, ich gebe alles der Gretlin mit, bezahlen kannst mir das später! Ich schau, dass ich nach Hause komm!« Keiner konnte Ludwig die Sehnsucht nach Flucht verdenken!
»Na dann wissen ja alle, was zu tun ist!« Johanna klatschte in die Hände, und der allgemeine Aufbruch begann. Barthel humpelte hinaus und suchte nach Krispin und Jobst. Gretlin nahm die Kerze, blickte noch kurz zu Sander, senkte dann beschämt den Blick und glitt vor ihm zur Tür hinaus. Ludwig stemmte sich einen vollen Korb rechts und einen links auf die Hüfte und folgte den beiden Richtung Schuppen. Sogar Maroni richtete sich auf, schnupperte kurz, verließ ihren Platz neben dem Ofen und lief ebenfalls hinaus ins Freie. Mit Nachdruck schloss Johanna die Tür, atmete tief durch und schenkte sich einen Becher Glühwein ein. Mit einem Zug leerte sie ihn und fuhr sich seufzend über den Mund.
»Mein lieber Gott, noch ein paar solche Tage und du kannst mich gleich eingraben am Gottesacker zu Sankt Stephan!« Dann begann sie im Feuer herumzustochern, bis es wieder aufloderte, zog sich einen Schemel nahe an die Wärme und ließ sich nieder. Gerade als
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