Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
von der Stadt hinaus nach Sankt Marx, wo das Rennen beginnen sollte, zwar warm eingepackt, aber nicht unbedingt frierend auf den Weg machen. Sander, dem ohnedies dauernd kalt war, ausgenommen den Augenblicken, wo er der Anwesenheit Gretlins gewahr wurde, denn dann war ihm siedend heiß, fror heute Morgen erbärmlich. Ludwig Fütterer, der gestern zu tief ins Weinglas geschaut hatte, stand ebenfalls abseits, bereit, sich im hinteren Teil des Zuges einzureihen.
»Wie war’s gestern bei Hof, Alessandro?«, fragte Ludwig mit sehr heiserer Stimme, die wohl eher auf zu kalt genossene Getränke gestern Abend als auf eine Erkältung schließen ließ. Sander zwinkerte seinem Freund zu: »Na, sicherlich nicht so lustig wie bei dir, Luigi!« Verlegen grinste der Gewürzhändler und murmelte: »Ich hab so gute Geschäfte gemacht hier in Wien, da musste ich ein paar Runden ausgeben im Regensburger Hof.«
»Also, wenn du das sagst!«, lachte Sander, wurde aber gleich wieder ernst. »Bei mir war es nicht lustig, aber sehr aufschlussreich. Ich wurde zu Beatrix vorgelassen und konnte ihr mein Anliegen unterbreiten.«
»Wie ist dir das gelungen?«, staunte Ludwig und wunderte sich einmal mehr über Sanders gute Beziehungen zum Hof.
»Wir Augsburger haben gute Beziehungen zum Burggrafen von Nürnberg.«
»Dem Vater von Beatrix?«
»Ja genau. Da war es leicht. Der Name Randegg öffnet mir so manche Tür, aber was sag ich dir …« Sander winkte bescheiden ab und erzählte weiter. »Jedenfalls war Beatrix bestürzt über die Geschichte mit dem Erben der Gräfin von Tirol.«
»Kann ich mir vorstellen!«, meinte Ludwig und zügelte sein Pferd, das bereits ungeduldig mit dem Huf am Pflaster scharrte.
»Sie meint, dass es sich da in jedem Fall um einen Irrtum handeln muss, Margarete starb ihres Wissens vor 13 Jahren kinderlos hier …« Weiter kam Sander nicht mit seiner Erzählung, denn ihm blieb vor Staunen der Mund offen. Nie hätte er den Wienern zugetraut, ein Fest so pompös zu begehen. Was er da sah, beeindruckte ihn aufs Äußerste. Der Zug formierte sich, die Trompeter auf den herzoglichen Rössern voraus, danach die gemeldeten Pferde, heuer acht an der Zahl, mit ihren Führen. In gemessenem Abstand kamen dann die Lauffenden Mannen, siegessicher lächelnd, in Begleitung ihrer Knechte. Ihnen folgten die erst kürzlich aufgenommenen Bürger der Stadt, dann die Armbrust-, Büchsen- und Hakenschützen in Reih und Glied mit ihren jeweiligen Fahnen. Ludwig, dem dieses Scharlachrennen schon bekannt war, drängte seinen jungen Freund, weiter zu erzählen: »Hast du auch von unserem Erlebnis in der Kapelle sprechen können? Weiß man da schon Genaueres? Wer war der Mönch?«
»Nun – was soll ich sagen …« Wieder sprach Sander nicht weiter, sondern beobachtete gebannt die Träger der Preise, die jetzt an der Reihe waren. Ein ganz und gar überforderter Jüngling mit dem scharlachroten Tuch auf einem goldfransenverzierten Kissen, schön gefaltet, dann der Träger der zwei Stück Barchent und schließlich mit enormem Abstand der Hausknecht vom Rathaus. Die wenigen Schaulustigen, die sich nicht bereits selbst hinaus auf den Weg nach Sankt Marx gemacht hatten, lachten Tränen, genauso wie Ludwig, der im Moment den Toten vergaß und haltlos kicherte. Heuer nämlich war die Spansau dermaßen schwer, dass der Hausknecht schon nach wenigen Schritten puterrot und schwitzend, mit dem gebratenen Viech über die Schulter geworfen, daher stolperte.
»Also«, setzte Sander fort und grinste weiter über den Knecht, »diese kleine, vorlaute Nonne bei den Büßerinnen hatte recht. Das Habit der Franziskaner in Wien ist schwarz. Und Beatrix hat sich genau umgehört. Niemand der Minderen Brüder kam ums Leben.«
Ludwig riss sich kurz vom Spektakel los und betrachtete Sander besorgt: »Das heißt, wir hatten es hier mit einem Betrug zu tun. Es gibt keinen Minderen Bruder namens Konrad in Wien.«
»Nein, wohl nicht. Ich hab auch erwähnt, dass wir ein Gespräch dieses angeblichen Bruders mit dem Hofmeister Finkenstein mitbekommen haben.«
»Und?«, fragte Ludwig eindringlich.
»Beatrix sagte dazu gar nichts, sie schaute nur sehr eigentümlich drein. Ist sehr vorsichtig, die hohe Dame!«, erwiderte Sander.
Ludwig nickte bedächtig: »Dazu wird sie auch allen Grund haben, schätze ich!« Damit wandten sich die beiden wieder dem Festzug zu. Nachdenklich und ruhig, aber mit zunehmendem Interesse, denn zu aufregend war das, was hier geboten
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