Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Wie bin ich froh, dich hier wieder getroffen zu haben! Ich habe dir so viel zu erzählen! Aus Frankreich, Kastilien, England, Schweden und Ungarn …«
»Da muss ich mir ja viel Zeit nehmen, Ewald!«, lachte Sander und wurde plötzlich ernst. »Sobald ich meinen Auftrag erledigt habe, höre ich dir gern zu! Aber sag mir, wie hast du gewusst, dass ich hier in Wien weile?«
»Das war ja ganz leicht«, meinte der Sänger lachend, »ich hab dich sozusagen erschnuppert!«
»Du hast was ?«
»Na, deinen Diener, den du damals aufgedrängt bekommen hast vom Gefolge des Passauers. Du weißt schon, als der Albert von Winklern kalte Füße bekommen hatte, na wie heißt er denn, den sie dir geschickt haben in den Köllner Hof …?«
»Heinrich?«
»Ja den Heinrich, diesen Stinkbolzen«, setzte Ewald grinsend fort.
Sander warf entschuldigend ein: »Ja ich weiß. Ich habe mich schon fast an sein Gekeuche gewöhnt, an seine verwachsene Gestalt und auch an diesen Geruch nach Thymian und Campher. Mit diesen Kräutern und dem weißen Pulver scheint er besser Luft zu bekommen, und seine Anfälle und Krämpfe werden auch weniger. Obwohl – du hast recht – in letzter Zeit nimmt sein Gestank ziemlich überhand! Er ist auch immer sehr erregbar, wenn du weißt, was ich meine. Dauernd diese Unruhe, einmal lacht er die ganze Zeit, dann wieder streift er in den Wäldern umher. Ach, weil er auch ständig mit dem Jagen von Federvieh beschäftigt ist und schmutzig daherkommt!«
»Das ist untertrieben, fürwahr, mein Freund«, setzte Ewald fort, »den geladenen Gästen des Bürgermeisters ist der Appetit vergangen, als Heinrich da herumgespuckt und gekeucht hat! Jedenfalls wusste ich, wenn der Stinker da ist, dann bist auch du nicht weit!«
»Welche Gäste eigentlich?«
»Na, auf der Siegerfeier für den Gewinner des Scharlachrennens, da ist der Heinrich herumscharwenzelt, hat geschwitzt und gestunken. Ich hab mir sowieso schon gedacht, warum du ihn nicht einfach vor die Türe setzt, hab dich aber in dem Gedränge nicht gefunden!«
»Kein Wunder, ich war ja gar nicht dort!«
»Was?«
»Nun, ich war bei der Gattin des Herzogs, bei Beatrix, ich musste noch ein paar Erkundigungen wegen meines Auftrages hier einholen«, nachdenklich hielt Sander inne, »sag mir, was macht der Heinrich ohne mein Wissen auf einem Bürgermeisterempfang?«
»Es schien mir, als wäre er mit dem Fichtenstein da! Mit dem hat er ganz vertraulich getuschelt.«
»Was, mit dem Hofmeister?«, bemerkte Sander misstrauisch. »Da wird er mir wohl einiges erklären müssen!«
»Das denke ich auch. Aber jetzt«, Ewald klopfte seinem Freund auf die Schulter, »lassen wir den Stinker, und du zeigst mir dein kleines Vögelchen. Komm, wir gehen nach Sankt Hieronymus!« Verlegen wand sich Sander: »Also, ob die Gretlin jetzt wirklich Zeit hat, uns zu empfangen …«
Ewald lachte geradeheraus: »Glaub mir, eine Büßerin, die Aussicht auf einen Ehemann hat, die nimmt sich Tag und Nacht Zeit für seinen Besuch. Oder würdest du gern den ganzen Tag nur arbeiten und deutsche Hymnen singen, wenn da draußen das Leben mit all seinen fröhlichen Liedern wartet?«
»Nein«, Sander schüttelte bestimmt seinen Kopf, »so ist die Gretlin nicht, die ist viel ernsthafter, sittsam und …
»Ja, ja, mein Freund, dich hat es ziemlich erwischt, so viel steht fest.« Ewald grinste, und einträchtig plaudernd spazierten die beiden Männer von der Rotenturmstraße zum Stephansplatz. »Komm wir gehen gleich über den Freithof«, schlug Ewald vor und schob Sander durch das Mesnertor auf den weitläufigen Gottesacker rund um den Dom. Über den Fürstenbühel, eine kleine Erhebung, von wo aus die Herrschenden ab und an zum Volk sprachen, wanderten sie weiter, bis sie am Stephanstor angekommen waren, das in einem schmalen Durchgang zur Singerstraße mündete. Kaum hatten sie das Tor passiert, da kam ihnen eine aufgeregte Menschenmenge entgegen. Schnell drückten sie sich an die Wand, um den Pöbel durchzulassen. Ein Weib, das offensichtlich schon zu viel getrunken hatte, schnappte Ewald am Arm und raunte: »Kumm mit, junger Herr, am Hohen Markt gibt’s was zu schauen!« Ewald riss sich los und half dann Sander, der sich angeekelt von einem grobschlächtigen Mann bedrängt sah, der ihm unbedingt ein richtig dreckiges Weibsstück zeigen wollte. Als die Meute vorüber war, schüttelten sich beide und lachten schon wieder, so groß war die Freude, dass sie wie in alten Zeiten durch die
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