Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
hohen Damen denn ein Topf mit Essiggurkerln? Hatte sie wirklich geglaubt, wichtig zu sein? Sie, Johanna Maipelt, die alte Dirne und Büßerin. Nur weil sie den Kochlöffel gut schwingen konnte und ein großes Mundwerk hatte? Wie töricht! Schluchzend krümmte sie sich noch mehr zusammen, doch dann kam ihr ein Einfall. Sie würde dort Schutz und Asyl suchen, wo der Stadtrichter keinen Zugriff auf sie hatte. Nun, es gab mehrere Orte in Wien, wohin sie sich flüchten konnte, die Freyung beim Schottenkloster war zu weit, die Herzogsburg beim Widmertor auch nicht näher, aber der Stephansdom, das konnte sie schaffen! Durch das Armesündergassl durch und dann die Singerstraße hinunter. Ich muss nur aufpassen, dass mich die Schergen nicht sehen, dachte Johanna, raffte ihre Röcke, erhob sich mühsam und lief los. So mir nichts, dir nichts würde sie sich nicht gefesselt in einen Sack stecken lassen! Ersäufen wie eine Katze, mit Stangen unter das Wasser gedrückt … mit Grauen setzte Johanna ihren Weg fort. Wo war nur dieser Fetzen mit dem schwarzen Adler abgeblieben, mit diesem Tuch hätte sie Katharina sicherlich einen Gefallen getan und die hätte sie vielleicht nicht ausgeliefert! Tränen der Angst rannen Johanna wieder die Wangen herunter, ihr Atem ging schnell, ihre Beine schmerzten. Endlich war sie am Ende der schmalen Gasse angelangt und lugte hinaus in die Singerstraße. Von Weitem schon sah sie den Henker und die Schergen bei der Klosterpforte in ein Gespräch mit der alten Agnes, der Pförtnerin, vertieft. Das war die Gelegenheit, ungesehen in die Singerstraße zu gelangen und bis zum Dom zu laufen. Johanna kannte die Pförtnerin gut, bevor die sich umdrehte und die Meisterin holte, war Johanna bereits am Nordtor angelangt und ihre Rettung war geglückt. Sie atmete tief durch und setzte schon zu einem schnellen Lauf an, da sah sie drei Gestalten aus dem Kloster herauskommen. Eine erkannte sie als den Stadtrichter Valentin Frühauf und die auf der anderen Seite hatte sie auch schon gesehen. Nein! Das war ja der stinkende Geselle von heute Morgen. Was machte denn der da? Plötzlich erstarrte Johanna, als sie die dritte Person erkannte, die von den beiden aus dem Kloster hinausgeführt wurde, direkt in die Arme des wartenden Henkers und der beiden Schergen. Johanna schlug sich mit der eigenen Hand einmal fest auf den Mund, um nicht loszuschreien und sich zu verraten. Der ganze Aufmarsch hatte nicht ihr gegolten, so viel stand fest, aber was in Gottes Namen sollte das denn jetzt bedeuten? Ohne es zu wissen, hatte sie sich aus der Gasse Schritt für Schritt herausbewegt und ihre Deckung verloren. Da spürte sie, wie sie jemand von hinten packte, sie herumriss und ihr gleichzeitig den Mund zuhielt, sodass der laute Schrei, zu dem sie schon angesetzt hatte, zu einem dumpfen Gebrumm ausartete. Schon holte Johanna zum Faustschlag aus, wie sie es früher immer mit ungeliebten Freiern getan hatte, als sie geradewegs ins Gesicht von Yrmel blickte. »Mein Gott, was ist denn in dich gefahren, was tust du denn, siehst du denn nicht, wen sie da holen?«, fauchte Johanna Yrmel an und riss sich unwillig los. Yrmel, mit panischen Augen, die nur aus einem kohlrabenschwarzen Loch zu bestehen schienen, zeigte unbeeindruckt auf die kleine Tür, die vom Klosterhof auf die Singerstraße führte und durch die sie offensichtlich herausgeschlichen war, um Johanna zu warnen. Danach hielt sie Johanna ihre Hand mit einem bröseligen weißen Pulver hin und rümpfte ihre Nase. Ratlos starrte die Köchin sie an. Yrmel, schon ziemlich wütend, weil Johanna nicht und nicht verstehen wollte, zeigte vehement auf einen der Männer, den Johanna vorhin als den Knecht des jungen Randeggs erkannt und der sie den ganzen Morgen lang verfolgt hatte. Da schnupperte Johanna an dem Pulver und sah wieder zur Pforte. Endlich verstand sie.
»Campher ist das, ja du hast recht, der Kerl stinkt nicht nur nach Rotz und Schleim, nach ungewaschenen Untergewändern und nach erlegtem Wild, sondern nach dem Zeug da.« Yrmel nickte wie besessen. »Aber was hat das damit zu tun, dass der Henker gerade unsere …«
»Jetzt schaust bled aus der Wäsch, was, Hannerl?«, hörte die Büßerin eine Stimme hinter ihr zetern. »Ach lass mich doch in Ruh, Barbel, siehst nicht, dass die gerade …«, schrie Johanna und wollte sich Richtung Pforte bewegen. Da hielten sie die verwelkten Pastinakenfinger des alten Kräuterweibels am Oberarm fest, und Barbel zischte Johanna ins
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