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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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Gefallen zu tun. Seit er denken konnte, war Bernhard von Randegg für ihn ein verlässlicher, geduldiger Vormund gewesen, der stets um Sanders Wohlergehen bemüht war. Natürlich begleitete Sander seinen Oheim, etwas anderes hätte er niemals zu denken gewagt, umso mehr, als dem Patriarchen von Aquileia auf dieser Reise offenbar die Anwesenheit seines Mündels von besonderer Wichtigkeit erschien.
    »Also«, seufzte Sander gottergeben, »dann weiter bis nach Wien, was immer mich da auch erwarten möge! Schlimmer als das, was bereits hinter mir liegt, kann es ja nicht sein.« Die Königsstraße vom angenehmen Süden in den rauen und unwirtlichen Norden hatte Sander in den vergangenen Wochen alles abverlangt. Er kam mit den veränderten Lebensbedingungen, die diese Reise mit sich brachte, mit den Unbequemlichkeiten und Anstrengungen schlecht zurecht, plagte sich schon zu Anfang und dankte Gott, als sich die Reisegruppe in Verona zu einer kleinen Rast niederließ. Die Stadt im Veneto gefiel Sander wider Erwarten ausnehmend gut. Das Castelvecchio der Herren della Scala an der Etsch und die mit Zinnen bekrönte Festungsbrücke beeindruckten ihn. Besonders angetan hatte es ihm der dreibogige Ponte Scaligero über die Etsch, der erst vor zwölf Jahren fertiggestellt wurde und von dem man im ganzen Kaiserreich schwärmte. Jetzt endlich konnte er dieses Wunder betrachten! Als größte Segmentbogenbrücke hatte sie eine Hauptspannweite von über 40 Ellen und die zinnenbewehrten Türme sahen hinab auf die breite, schnell dahinfließende Etsch. Doch die Begeisterung hatte für Sander ein jähes Ende, als sie weiter dem Fluss folgten. Das enge Tal und der schmale Weg ängstigten den jungen Mann, und er dachte, dass er wohl kaum Anstrengenderes meistern konnte.
    Die Straße, oder vielmehr der Saumpfad, verlief ganz in der Tiefe, eingezwängt zwischen den steil aufragenden Bergketten. Sander fühlte sich, als bewege er sich hinein in einen undurchdringlichen, gewundenen Schlund. Er konnte das erhebende Gefühl dieser Berglandschaft nicht genießen, es schien ihm eher, als würden die Alpen ihre kalten grauen Arme nach ihm ausstrecken. Das Tosen des Wassers, die steilen Felsen, die nur jeweils einen Reiter hinter dem anderen duldeten, weil sie auf beiden Seiten hoch aufragten, ängstigten Sander zutiefst, und ein schmerzvolles Sehnen nach Lucca, seinen sanften, weiten Hügeln nahm Besitz von ihm, und es war so stark, dass es ihn wohl bis zum Ende seiner Reise nicht mehr loslassen würde. Er vermisste den weiten, blauen Himmel und konnte sich nicht damit abfinden, dass der schmale Streifen, der wie eine Spalte in den Bergen aussah, dasselbe Firmament sein sollte. Nicht auszudenken, wenn nur ein kleiner Felsbrocken von oben heruntergerollt käme, welchen Schaden dieser vielköpfigen, mit Pferden, Maultieren und Trägern begleiteten Reisegruppe erleiden könnte!
    Endlich erreichte Sander mit seiner Reisegruppe Trient, wo er seine durchweichte und schmutzige Reisekleidung tauschen und sich etwas erholen konnte. Doch sein Oheim drängte zur Eile. In wenigen Tagesmärschen sollten sie Bozen hinter sich lassen und in Terlan auf der Burg eintreffen, um Wolkenberg und seinen Sohn Ewald in das Gefolge aufnehmen zu können. Der Weg von Trient verlief ein wenig ruhiger, und nach ein paar Meilen staunte Sander über die Vielzahl an herrschaftlichen Burgen, die den Weg säumten. Aber eine eigenartige, barbarische Sitte verwirrte ihn danach auf das Höchste: Auf den zahlreichen Burgen, die hoch auf den Felsen über dem Fluss ragten und Adeligen gehörten, spielten sich beängstigende Dinge ab. Denn wenn die Bewohner eine größere Anzahl an Reisenden erblickten, ließen sie, sobald sich die Gruppe schon unterhalb ihrer Burg befand, plötzlich von der Festung die Hörner erschallen. Nicht genug damit, zudem erhob eine möglichst große Anzahl von Menschen von den Mauern und Befestigungen aus ein barbarisches Geschrei und feindliches Geheule. Durch das unvermutete Ereignis fuhr nicht nur Sander der Schrecken in die Glieder, auch dem Patriarchen und den Handelsreisenden sank der Mut, weil sie nicht wissen konnten, was nun als Nächstes geschehen würde. Würde eine in diesen Gegenden allzu bekannte Räuberbande auf die Reisenden herabstürzen? Oder würde ein Felsbrocken, rasch heruntergerollt, den weiteren Weg versperren? Nur einer lachte und johlte zurück, dass sich der Schall an den steilen Bergrücken vervielfachte: Ewald. Er war es auch, der

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