Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Großteil der Schaulustigen begann einfach davonzulaufen. Randegg, der noch immer bei der Leiche am Boden kniete, hatte nichts anderes erwartet. Als er sich das einfache Gewand, die verhornten Fußsohlen und die abgearbeiteten Hände der Toten besah, wurde ihm bewusst, dass es sich dabei um eine Dienstmagd, eine Küchenhilfe bestenfalls, handelte, und er gab sich keinen Illusionen hin: Man würde den Körper einfach in der Nähe verscharren, vielleicht noch ein Gebet sprechen, und die ganze Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Aber jung war sie noch, dachte er wehmütig, viel zu jung, um schon Bekanntschaft mit dem Tod machen zu müssen. Sie trug keine Haube, hatte ihr brünettes Haar in Flechten um den Kopf geschlungen, und ihr Gesicht, das nun vom Todeskampf gezeichnet war, musste frisch und lebhaft gewesen sein. Welche Verschwendung, seufzte Randegg und bedeckte das Antlitz der Toten mit einem grob gestrickten Tuch, das ihr vermutlich als Schultertuch gedient hatte. Als er sich bereits wieder erheben wollte, fiel ihm das eigentümliche Leder auf, mit dem das Mädchen an den Knöcheln gefesselt war. Es war kein Gurt, sondern vielmehr eine Lederschnur, die am Ende, und das kam dem Patriarchen sehr eigentümlich vor, mit einem Holzgriff versehen war. Er kannte das, es handelte sich um ein Federspiel, es fehlte nur das Lederpolster auf der anderen Seite, wo Taschen eingearbeitet waren, um es mit Teilen des Beutewildes für den Falken zu füllen. Randegg besah sich nun das andere Ende der Lederschnur und erkannte, dass er recht hatte. Mit einem scharfen Schnitt war hier etwas abgeschnitten worden. Aber er wusste, dass, selbst wenn er die ganze Reisegesellschaft nach einem Lederpolster ohne Schnur durchsuchen ließ, er nicht fündig werden würde. Es war aussichtslos. Dennoch beunruhigte ihn der Gedanke, dass am Morgen ein Gerfalke verkehrt herum aufgehängt gefunden wurde und jetzt dieses einfache Mädchen auf dieselbe Art und Weise. Eigentümlich, dachte er und stand dann seufzend auf. Er würde seinen Reisegefährten in allen Einzelheiten berichten und ihnen auftragen, ein besonderes Auge auf ihre Falkner und ihre Bediensteten zu haben. Es war einfach unerfreulich, sich mit solchen Vorfällen herumschlagen zu müssen. Nüchtern und leidenschaftslos, alles Eigenschaften, die Randegg zu seiner herausragenden Karriere und seiner großen Bedeutsamkeit verholfen hatten, verließ er den Unglücksort, winkte Ewald und Sander von der Anhöhe herunter und bereitete sich auf ein Gespräch mit Ulrich von Schaunberg, den Bischof von Passau und vor allem mit den Herren von Wallsee vor. Es wäre doch gelacht, wenn diese ihre Bediensteten nicht ordentlich ins Gebet nehmen könnten. Für Randeggs Geschmack war zu viel auf dieser Reise passiert, und dieses tote Mädchen sollte nicht der Beginn weiterer Verwicklungen sein. Still und heimlich veranlasste er, die Leiche wegzuschaffen. Er wollte seinem Neffen ein schönes, herrliches Wien zu Füßen legen, eine Stadt, die ihn für alle erlittenen Unbequemlichkeiten der Reise entschädigen sollte.
*
Wien, im Frühling des Jahres 1374
Verhalten lachten die Bürgersfrauen mit ihren züchtigen Hauben und ihren festlichen Übergewändern, die zwar ohne Spitzen und Borten waren, denn das war nur den höheren Frauen gestattet, aber dafür aus edlen Stoffen wie Samt oder Brabanter Tuch. Weniger verhalten, als vielmehr so laut, dass sie bald die Kirchenglocken von den nahen Augustinern übertönt hätten, lachten die anwesenden Männer und stießen sich gegenseitig aufmunternd mit den Ellenbogen an. Kichernd ließen die weit weniger prunkvoll gekleideten Dienstmädchen eine schmale Gasse frei, und die besonders jungen unter ihnen hoben die Schürze vor ihre Gesichter, um die Schamesröte auf ihren Wangen zu verbergen.
Mit einem bestimmten »Na erlaubts, wir wollen da durch, der Herzog wartet«, raffte die dicke Fronika ihr nagelneues blaues Samtkleid etwas zu hoch und zeigte weit mehr als nur einen Knöchel, was gerade noch schicklich gewesen wäre. Im Gegenteil, sie gab den Blick frei auf schwammige, kreideweiße, mit Krampfadern durchzogene Waden, die die Anwesenden an die Tischbeine in der Bierschenke um die Ecke denken ließen.
»Ja klar, der Herzog wartet auf euch, natürlich!« Prustend vor Lachen ließ ein grobknochiger Mann Fronika und ihren Anhang passieren, nicht ohne ihr einen derben Klaps auf das ausladende Hinterteil zu geben.
Mit nach vorn gereckter Brust, dass der Busen
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