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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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ich da noch viel zu lernen. Denken Sie sich doch, werter Herr, Wien hat so viele bedeutende Sänger hervorgebracht. Walther von der Vogelweide, Neidhart von Reuental.«
    »Das war – so entsinne ich mich, vor fast 200 Jahren, Ewald, ich finde, da ist es hoch an der Zeit für ein neues Talent!« Damit zwinkerte Randegg seinem Knappen freundlich zu. Begeistert nahm Ewald das Gesagte auf und geriet ins Schwärmen: »Ja, für mich ist Walther von der Vogelweide eine echte Inspiration.«
    Laut lachte Randegg, drohte seinem Knappen mit dem Zeigefinger und begann leise zu singen: »Unter der Linde, an der Heide, wo unser beider Bett war, dort könnt ihr sorgsam gepflückte Blumen und Gras sehen, in einem Tal am Waldrand …« Ewald lachte ebenfalls, und beide sangen lauthals: »Tandaradei, sang die Nachtigall lieblich!«
    »He, vielleicht hat jemand von euch die Güte und beachtet mich einmal, mir ist vor Hunger schon schlecht, und ihr steht da herum«, Sander stampfte missmutig mit einem Fuß auf. Ewald verbeugte sich demonstrativ und summte weiter. Bernhard grinste, wandte sich wieder an Ewald, als wäre gar nichts geschehen: »Ich bin sicher, dass du hier manch guten Lehrer finden wirst. Warte einmal, bis du die Wiener besser kennenlernst, Ewald, die sind ein lustiges Völkchen.«
    »Nun, im Augenblick sehe ich da nur eine ganze Anzahl von Kirchtürmen. Sind die Wiener denn so gottesfürchtig?« Damit zeigte der Bursche Richtung Horizont, wo sich vor ihnen die Stadt Wien ausbreitete, einem bunt gewebten Teppich gleich mit roten Ziegeldächern, bemalten Schindeln, weiß gestrichenen Mauern, einer mächtigen Wehranlage mit Zinnenkranz davor, mit Wehrtürmen und Palisaden.
    »Ich will hier weg!«, beschwerte sich Sander.
    Endlich schenkte ihm sein Oheim seine Aufmerksamkeit. »Wir sind ja noch nicht einmal da, Sander, und du willst schon wieder weg?«
    »Ich will da weg!« Damit deutete er rund um die Anhöhe, auf der sich die kleine Reisegruppe eben befand. »Ich will da runter«, maulte er und zeigte auf einen kleinen eingefriedeten Platz. »Hab noch ein wenig Geduld, bevor wir weiterreiten«, beschwichtigte der Patriarch seinen Neffen, »schau dir lieber noch Wien von der Ferne an, bevor wir heute Abend endlich durch die Tore reiten werden. So einen schönen Blick hast du selten auf die Stadt.«
    Mit Widerwillen ließ sich sein Mündel zu ihm ziehen, und Randegg legte ihm seinen Arm um die Schultern. Mit seiner anderen Hand zeigte er auf Wien und begann zu erklären: »Da, diese erste Kirche zu deiner linken Hand, das sind die Minderen Brüder!« Wie er es nicht anders erwartet hatte, begann sich Sander zu interessieren.
    »Ja, ganz recht, die Minoriten gehören zu den Ersten, die sich in Wien niedergelassen haben! Schau, das Stück da dran ist die Ludwigskapelle. Der nächste Bau mit den vier Türmen und der Zugbrücke, das ist die neue Herzogsburg, und die kleine Kapelle gehört auch dazu. Da wird die Hochzeit stattfinden.«
    Ewald und Sander staunten nicht schlecht, sie hatten beide nicht mit dieser Größe der Stadt Wien gerechnet. Beeindruckt ließ sich Ewald vernehmen: »Aber schau dir nur die vielen Türme an!«
    Zufrieden fuhr Bernhard von Randegg fort: »Daneben, also gleich ganz nahe der Burg, ist die Michaelerkirche, dann folgt das Dorotheerkloster, Sankt Ruprecht blinzelt da durch, hier die Augustinerkirche, ach ja, Sankt Peter und, ja, da steht er, endlich, jetzt seh ich dich wieder: Das, meine Lieben, ist der Dom, der mit dem Zick-Zack-Muster auf dem hohen Dach, der Stephansdom zu Wien. Wie schön! Und hier seht ihr Sankt Nikola, die Kapelle da müsste zu Sankt Hieronymus gehören, und da Sankt Jakob, nahe beim Stubentor. Seht ihr das? Jetzt auf die andere Seite in der Nähe der breiten Straße, der Kärntnerstraße, Santa Klara und Santa Anna …«
    »Aber wie sollen wir dir denn da folgen können, Oheim«, maulte Sander, »so schnell, wie du das da herzeigst!«
    »Entschuldige, liebster Neffe«, damit machte der Patriarch eine übertriebene Verbeugung, »aber ich war schon so lang nicht mehr in Wien und ehrlich gesagt, habe ich eine Riesenfreude!«
    »Wann warst du denn das letzte Mal da?«; fragte Sander.
    »Oh, das war in einem anderen Leben, mein Sohn. Ich begleitete unseren Luxemburger, Karl IV. auf seiner Reise nach Wien zum Fürstenkongress, da war ich noch drei Dezennien jünger und hatte noch Haare am Kopf und alle Zähne im Mund!« Alle lachten über diesen Scherz, kam es doch selten genug

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