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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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sich vor ihnen das imposante Widmertor auftat. Grob behauene Backsteine, Holzpalisaden und eine wappenverzierte Wand ließen das Tor mächtig erscheinen. Davor standen bereits hintereinander aufgereiht die Abordnungen des Hofes und des Klerus. Noch war der Zug stadtauswärts gerichtet. Auf ein Trompetensignal vom Turm der Burg würde sich der Tross dann in Bewegung setzen und in einer Hufeisenform wenden, um sich dann in richtiger Reihenfolge, die Wichtigen vorneweg, die Unwichtigen ganz hinten, stadteinwärts durch das Widmertor Richtung Kohlmarkt zu begeben. Gretlin bereitete es ein unsagbares Vergnügen, die Reihe entlangzuschreiten. Wie gut, dass die freien Töchter bei Festen und Umzügen jeweils die Nachhut bildeten, um den Wienern zum Abschluss noch ein lustvolles Bild zu liefern. Aber noch war es nicht so weit, noch hatte der Trompeter das Hochzeitspaar nicht gesehen, und die Festgäste nutzten die Gelegenheit, schnell an ihrer Garderobe herumzuzerren, sich einen Gürtel zu richten, eine Haarspange zu sichern oder den Faltenwurf des Umhanges zu kontrollieren. Wie spannend und bunt, wie glitzernd und aufregend, wie einmalig war der heutige Tag.
    »Gretlin, jetzt komm endlich, lass uns da ganz nach vorn gehen, immer die Reihe entlang. Siehst du den dicken Hintern von Fronika, in die Richtung musst du gehen, komm jetzt, Mädchen.« Schon etwas ungeduldiger als vorhin dirigierte Dorthe Gretlin den Zug entlang. Zweifelnd schaute sie zu Elsbeth, die mürrischer denn je wirkte.
    »Elsbeth, jetzt komm, schau doch ein bisschen freundlicher drein. Wer soll dich heute mitnehmen wollen, wenn du wie ein altes Kräuterweib dreinschaust, dem der Salbeisud ausgegangen ist!«
    Elsbeth atmete tief ein, straffte die Schultern und lächelte in die Menge, wiegte die Hüften, schwenkte ihr gelbes Tüchel, was prompt durch johlende Zurufe von einer Gruppe Handwerksburschen quittiert wurde. Zwischen den Zähnen raunte sie zu Gretlin: »Schau die Festgäste nicht so unverschämt an, Gretlin. Das ist unhöflich. Die Hübschlerinnen halten den Blick vor den Hochwohlgeborenen gesenkt. Himmel noch mal, Mädchen, du gaffst so ungeniert herum, du wirst noch alle Aufmerksamkeit auf dich ziehen.«
    Mit angstvollem Blick schaute Elsbeth zu Dorthe, die prompt antwortete:
    »Lass gut sein, Elsbeth. Sie macht ihre Sache doch ganz gut. Es kann nichts passieren, solang wir bei ihr sind, und du weißt ja, erst nach dem Festzug kommen die Männer zur Sache, erst da wird ihnen der Hosenlatz zu eng. Bis dahin haben wir das Mädchen längst wieder weggebracht.«
    »Und sie kann dieses Tüchel wieder ablegen …«, seufzte Elsbeth.
    »Ja natürlich, Elsbeth, komm, beruhige dich jetzt. Du, genauso wie wir alle, musst heute einen Batzen Geld ins Frauenhaus bringen, sonst setzt uns der stinkende Bock vor die Tür. Dass du da herumrennst wie eine nervöse Henne, ist verständlich – aber damit ist keinem geholfen.« Damit drehte sie sich zu den wartenden Zuschauern, schwenkte ihr Tuch und rief den Freiern zu: »So eine Hochzeit ist doch immer wieder anregend, findet ihr nicht?«
    Pflichtschuldig drehte sich auch Elsbeth um die eigene Achse, dass sich das neue Kleid bauschte und den Blick auf ihre Beine freigab. Sie schüttelte ihr Haar und leckte sich die Lippen. Was hätte sie nicht noch alles veranstaltet, um den Blick von ihrer Ziehtochter, die mit wagenradgroßen blauen Augen neben ihr schritt, auf sich selbst zu lenken! Nicht auszudenken, was diese ungehobelten Burschen mit einem zarten, unwissenden Mädchen imstande waren, anzustellen!
    »Möge dieser Tag doch endlich vorbei sein«, dachte sie bei sich und zwinkerte den Stallknechten, die sich um die Handpferde kümmerten, kokett zu.
    Obwohl Gretlin alles andere als aufreizend aufgemacht war, starrten sie die jungen Männer ungeniert an.
    »Wie ein bunter Falter in einem Haufen von Stubenfliegen«, dachte Dorthe bei sich, und mit einem Blick auf das sorgenvolle Gesicht von Elsbeth musste sie sich eingestehen, dass deren Bedenken begründet waren. Gretlin sah so hübsch und unbedarft aus, trug das gelbe Tuch mit solch einer Begeisterung, dass statt vier wahrscheinlich zwölf Augen notwendig gewesen wären, um das Mädchen vor Übergriffen zu schützen.
    Gretlin selbst bekam von diesen Überlegungen so gut wie gar nichts mit. Da sie sonst nur das Frauenhaus und die Gegend um den Wienfluss kannte, war sie einfach begeistert von diesem Trubel und den Festgästen. Trotz der Warnung Elsbeths heftete sie

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