Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
gesehen, dass der Wasserspeier da oben über dem Grab des Ritters die Form eines Fuchskopfes hat? Wie originell! Man nannte den Sänger nämlich auch Neidhart Fuchs, weißt du …«
Sander seufzte. Da war nichts zu machen, Ewald hing seinen Sängern nach, und womit er recht hatte, war, dass sich sein Oheim wohl nicht sehr für die Dienstbotengeschichten einsetzen würde. Als Sander mehr oder weniger verloren herumstand, sagte er sich, dass er genauso gut seinem Freund eine Freude machen konnte, und meinte unmittelbar: »Na dann los, bester Sänger nördlich und südlich der Alpen, lass die Geschichte vom Veilchen hören.« Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich der Bischof vor dem Riesentor in seinem ganzen Prunk präsentierte und gelangweilt auf das Eintreffen Albrechts, dessen Gattin und der Hofgesellschaft wartete. Nun, da war es wohl besser, hier bei Ewald vor dem Grab eines singenden Ritters zu stehen und eine Geschichte zu hören.
Ewald ließ sich auch gar nicht lang bitten, lachte seinem Freund zu und begann zu erzählen:
»Weißt du, die Wiener haben eine Schwäche für den Frühling.« Sander starrte in den grauen, bewölkten Himmel, aus dem es jeden Moment tröpfeln konnte, zog sein wattiertes Wams fester um die Schultern und konnte einmal mehr nicht verstehen, wie man diese Witterung als frühlingshaft bezeichnen konnte, Temperaturen, die in Lucca als winterlich zu bezeichnen waren. Aber sei’s drum. Er hauchte sich warmen Atem in die hohle Hand und hörte weiter zu.
»Wer am Beginn des Frühlings auf Feld und Flur das erste Veilchen fand, durfte dem Herzog davon Kunde geben. Dieser zog dann mit seinem ganzen Gefolge unter lautem Jubel und mit klingender Musik hinaus, um diesen Frühlingsboten zu begrüßen und einen Reigen zu stiften. Das schönste und sittsamste Mädchen durfte das Blümelein pflücken und das Maienlied anstimmen. Alle sangen mit und tanzten den Maienreigen.«
Ewald holte tief Luft und sah seinen Freund erwartungsvoll an. Sander scharrte mit den Fußspitzen auf der Erde, vermied es, Ewald anzusehen, und meinte: »Na ja, schöne Geschichte, Ewald. Aber sei mir nicht böse, sehr originell nun halt nicht, eher ein bisschen langweilig. Eher so für Mädchen …« Ewald grinste und versprach: »Na warte nur, jetzt kommt der hier«, damit zeigte er wieder auf die steinerne Gestalt auf der Tumba, »ins Spiel. Neidhart selbst entdeckte nämlich in einem Frühling das Veilchen im Feld, bedeckte es mit seinem Hut und eilte zum Herzog. Mittlerweile aber entdeckte ein Bauer den Hut, pflückte das Veilchen, und … und …« Ewald lachte, dass ihm die Tränen kamen.
»Na, was und?«, fragte Sander, neugierig geworden.
»Er hat die Stelle verunreinigt«, gluckste Ewald.
»Was heißt verunreinigt?«
»Na, er hat dort …«
»Du meinst, er hat dort …«, gluckste nun auch Sander.
»Ja, draufgeschissen hat er, der Bauer, und hat dann den Hut darübergestülpt.«
»Jetzt gefällt mir die Geschichte schon besser!«
»Wusste ich doch.«
»Wie geht’s weiter?«
»Als der Herzog kam, den Hut lüftete, den Haufen Sch …, also den Unrat sah, brach Neidhart in Verwünschungen aus und lief ins nächste Dorfgasthaus. Dort sah er die Bauern munter um das gepflückte Veilchen herumspringen. In seiner Wut schlug er wütend auf sie ein und wurde seitdem Bauernfeind genannt.«
»Na, der fackelt auch nicht lang, dein Freund da!«, sagte Sander grinsend und deutete zum Grab.
»Ja, aber der Zauber des Frühlings ist bis heute sehr stark in Wien. Nicht umsonst hat man den Neidhart von Reuental hier an so bedeutender Stelle bestattet. Man wollte dieses Frühlingsgefühl bewahren, das ganze Jahr lang.«
Etwas ernster fuhr Sander fort: »Aber Ewald, du musst dich jetzt verabschieden vom Neidhart Fuchs und vom Frühling in Wien. Wir müssen zurück zum Köllnerhof, ich muss dem Patriarchen von den Dienstboten erzählen, bitte komm mit!«
Ewald nickte verständnisvoll, und beide liefen hurtig zum Kantorhaus, das Mesnerhaus entlang, vorbei am Barleihhaus und dann schnell die Fleischbänke hinunter. Atemlos kamen sie im Köllnerhof an und sahen schon von Weitem drei Jammergestalten jeweils mit einem Bündel in den Händen, in das wohl ihre Habseligkeiten gebunden waren, bei Bernhard von Randegg stehen. Wie bereits vom Bischof angekündigt, waren das eine Frau und zwei Männer. Als Ewald und Sander zu ihnen traten, nickte Randegg ihnen zu: »Wir haben zwei Knechte und eine Magd mehr mit auf der
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