Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Essigmutter. Man darf sie weder zerstören, noch sie zum Absinken bringen, denn darunter wird aus dem Wein Essig.«
»Wie lang dauert das, Johanna?«, fragte Gretlin.
»Wochen. Alle sieben Tage ziehen wir aus diesen Löchern«, damit zeigte sie auf die Wand des Fasses, das mit einigen mit Stofffetzen zugestopften Öffnungen versehen war, »Essig heraus, einen halben Eimer voll, jedes Mal. Aber damit sind wir noch lang nicht fertig. Wir müssen zuerst die Veilchenblüten 14 Tage darin ziehen lassen und erst gegen Schluss den Salbei und den Honig zufügen.«
»Für unser Mailufterl«, sagte Gretlin stolz.
»Was ist denn das schon wieder?«, fragte Martha misstrauisch.
Wuckerl schaute genauso finster drein und meinte: »Johanna, sag nicht, dass wir wieder so ein neues Essigzeugs herstellen müssen. Wir legen mittlerweile doch eh schon alles in diese stinkende Brühe. Fisch, Fleisch, Obst, Kräuter, Gemüse …«
Wütend unterbrach Johanna das Lamentieren der Büßerinnen: »Es reicht jetzt, ihr Weiber, ihr saublöden …Wovon wollt ihr denn leben? Wollt ihr wieder auf die Gasse oder in den dreckigen Frauenhäusern vor dem Widmertor unterkriechen? Gefällt euch das so, wenn besoffene Männer die Finger überall haben und euch mit ihrem stinkenden Atem und ihren dreckigen Körperteilen bedrängen …« Ein heiseres Aufschreien von Gretlin brachte Johanna zur Besinnung, und verlegen biss sie sich auf die Unterlippe. Als sie tief durchgeatmet hatte, fuhr sie schon bedeutend ruhiger fort: »Ich meine ja nur. Schaut’s, der Essig ist keine stinkende Brühe, er ist ein Elixier, das uns die Freiheit bringt! Seht es doch einmal so!«
»Geh, Hannerl, was redest denn so geschwollen, wie sollen wir denn jemals frei sein, wir Hübschlerinnen sind doch nur frei für die Bedürfnisse der anderen! Wir sind doch gar nichts.« Wuckerl schüttelte bitter lächelnd den Kopf.
»Ja, wennst meinst. Ich bin was, das sag ich dir, auch wenn ich nur die Essiggurkerl-Hannerl bin.« Vor Eifer wischte sich Johanna über ihr Gesicht, um die roten Wangen zu kühlen. »Und wenn ihr Weiberleut glaubt, dass man sich alles gefallen lassen muss, dann tut’s nur weiter so, ich leg meine eigene Großmutter in Essig ein, wenn es mir ein Stück Freiheit bringt!«
»Das glauben wir dir aufs Wort, Hannerl!«, prustete Wuckerl.
»Lachts nur und wenns dann fertig seid, dann putzt weiter, denn ich brauch die Fässer!«
»Ja, ja«, murmelte Martha, »ich weiß net, warum du so schlechte Laune hast, Hannerl, ehrlich, mir reicht das schon so mit dir!«
»Ihr habt alle leicht reden. Ihr müsst euch nicht mit der Cäcilie hinstellen. Ihr kümmerts euch net darum, woher der Salbei kommt, der Honig, die Veilchen, das kann alles ich machen!«
Johanna war puterrot vor Zorn. Just in dem Moment setzte sich das Weinberl ungeniert in den Hof, gefährlich nahe am erst kürzlich geschrubbten und ausgewischten Holzfass und hinterließ einen gewaltigen Haufen Hundekot.
»So jetzt reicht mir das mit dem stinkenden Viech!«, keifte Johanna. »ich halt das nicht mehr aus!« Sie versuchte, nach dem Hund zu treten, der ihr aber geschickt auswich und sich hinter Gretlin versteckte.
»Johanna, nein«, weinte sie, »ich geb das Weinberl hinein in die Küche, dass du sie nicht anschauen musst.«
»Das ist ja noch schlimmer, da verstinkt sie mir die ganze Bude! Nein, Gretlin, es reicht mir jetzt wirklich!«
Inzwischen schluchzte das Mädchen hemmungslos und klammerte sich an die zitternde Hündin.
»Aber Hanna«, griff Wuckerl beschwichtigend ein, »jetzt lass der Kleinen doch den Hund!«
»Nein, es reicht mir jetzt. Die hat Flöhe, Zecken und verfilztes Fell! Sie hat Blähungen, setzt sich hin, wo sie will, hinterlässt da ihre Haufen …«
»Aber das ist ja noch kein Grund, sie zum Hundsschlager zu bringen«, meinte Martha vorwurfsvoll.
»Nein, nicht zum Hundsschlager, nicht die Weinberl«, schrie Gretlin und warf sich schluchzend auf das Tier.
»Hannerl, so hartherzig kannst nicht mal du sein, die Weinberl zum Hundsschlager! Also weißt!«, schimpfte Martha.
»Mein Weinberl, mein Weinberl«, heulte Gretlin.
»Ja, seid’s ihr denn alle verrückt geworden? Wegen dem Hundsviech …«, schrie Johanna dazwischen, dass es im Klosterhof nur so schallte.
Prompt kam Cäcilie aus der Klosterpforte und schrie mit heiserer, zittriger Stimme, die jeden Moment am Überkippen war: »Johanna, was ist das für ein gotteslästerlicher Lärm? Ich wünsche dich zu sehen, noch
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