Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Reise.«
»Ich weiß«, antwortete Sander, »ich bin dem Bischof begegnet.«
»Dann weißt du ja Bescheid«; sagte Randegg knapp und hatte nicht vor, Einzelheiten in Anwesenheit seines Gesindes zu klären.
Im Gehen sah er noch über die Schulter und meinte im befehlsgewohnten Ton: »Du, Alter, sattelst mir mein Pferd und lässt die Finger vom Schnaps, du, Weib, gehst zum Küchenwagen, und du, Bursch, wirst dich um die jungen Herren kümmern. Geh ihnen zur Hand und mach dich nützlich.«
Täuschte sich Sander, oder hatte sich sein Oheim wieder etwas gefangen. Sah er wieder dieses leise glimmende Feuer in seinem Blick, schritt der Patriarch wieder kraftvoll aus, hielt er sich gerader als noch vor zwei Stunden? Kann es ein Wunder des Heiligen Philippus gewesen sein, in dessen Kapelle der Oheim so innig gebetet hatte? Wenn das so ist, dachte Sander, sollte ich das mit dem Frühling und seinem Zauber wirklich ernster nehmen. War doch der erste Mai schon immer der Gedenktag dieses Apostels gewesen!
*
Fluchend und schimpfend stand Johanna im Innenhof des Klosters. »Ihr müsst schneller arbeiten, ich brauche die Fässer sauber geschrubbt – und das noch vor der Vesper!«, schrie sie mit drei Weibspersonen unterschiedlichen Alters, die alle mit Putzlappen, aufgefrorenen Fingern und mit einer Stinkwut, die der von Johanna in nichts nachstand, um sie herumstanden.
»Dann hättest halt früher was sagen müssen«, entgegnete die erste, die alle Wuckerl nannten, weil ihre gelockten Haare es schafften, sich von jeder noch so stramm sitzenden Haube zu befreien.
»Das hab ich gestern noch nicht gewusst, verflixt noch mal!«, schimpfte Johanna weiter.
»Wir tun, was wir können, Hannerl, aber ein 20-Eimer-Fass reinigt sich nicht von selbst! Und wenn wir das nicht sorgfältig erledigen, dann fällt dir der Essig drin um«, beteuerte Martha, eine Büßerin, die schon genauso lang wie Johanna im Kloster war und die Köchin in- und auswendig kannte. »Was ist denn los mit dir?«, fragte sie besorgt.
Johanna seufzte: »Ich muss heut noch zur Meisterin, und das drückt mir auf den Magen.«
»Na, da können wir sicherlich viel dafür, deswegen haben wir ja auch so eine schöne Arbeit von dir bekommen«, pfauchte die dritte Büßerin und rieb sich ihre rauen Hände an der groben Schürze.
»Aber das mit der Meisterin, das versteh ich«, meinte Wuckerl mitfühlend, »hast was ausgfressn?«
»Aber ka Red davon. Es geht um die Gretlin. Sie will bleiben.«
»Dieses blasse, verschreckte Ding, das sie dir vor ein paar Tagen in die Küche geschleppt haben?«, fragte Martha weiter.
»Die mit dem stinkenden Hund?«
»Ja, genau die.«
»Mach dir keine Sorgen, Hannerl. Die bleibt net lang, bevor die ihren Strohsack aufgewärmt hat, wird die weggeheiratet. Weiß ja eh, wie sich die Mannsbilder darum reißen, eine Büßerin heimzuführen«, meinte Wuckerl.
»Und jung ist die auch noch. Da geht’s noch schneller!«, führte Martha weiter fort.
Wenn es so wäre, dachte Johanna im Stillen. Als sie an die Abscheu des Mädchens vor allen Männern dachte war ihr klar, dass das nicht so reibungslos ablaufen konnte. Aber wie sollte sie den Frauen erklären, dass Gretlin noch Jungfrau war und nicht im Traum daran dachte, sich in den Hafen der Ehe zu begeben, nicht nach dem, was sie in ihrem jungen Leben schon gesehen und erlebt hatte. Und wie sollte sie ihnen erklären, wie naiv und unbedarft dieses Mädchen trotz allem durch die Welt ging. Es würde keine zwei Tage dauern, und sie würde Opfer irgendwelcher hinterlistigen Machenschaften und Gewaltverbrechen werden.
Wie wenn sie es gespürt hätte, kam Gretlin aus der Küche in den Hof und nickte den Frauen schüchtern zu. »Kann ich helfen?«, fragte sie zaghaft. Wie immer hatte sie Weinberl im Schlepptau.
»Du kannst das Fass dort drüben auswaschen, wir brauchen das für den neuen Essigansatz, Mädchen«, meinte Johanna und übersah den Hund geflissentlich. »Ich brauch einen ganz milden Weißweinessig, sonst kommt der Geruch der Veilchen nicht zur Geltung. Der gemeine Essig ist zu scharf.«
Auf das fragende Gesicht der umstehenden Frauen hin begann Johanna zu erklären, wie sie es anstellen wollte, milden Essig zu erzeugen. »Wir füllen das Fass da zur Hälfte mit einem guten Weißwein und mischen gleich ein bisserl fertigen Essig rein, dann geht es schneller.«
»Was geht schneller?«, fragte Wuckerl.
»Die Gärung. Da bildet sich oben so eine Art Haut, die nennt man
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