Das Geld - 18
allem die Hochfinanz, die jüdischen Bankiers hatten eine schreckliche Niederlage erlitten, ein wahres Massaker. Man versicherte, daß Gundermann allein für sein Teil acht Millionen dabei gelassen hatte. Und das war unbegreiflich: wieso war er nicht gewarnt worden? Er, der unbestrittene Beherrscher des Marktes, für den die Minister nur Gehilfen waren und der die Staaten in unumschränkter Abhängigkeit hielt. Da waren außergewöhnliche Umstände im Spiel gewesen, die in ihrem Zusammenwirken die großen Schicksalsschläge hervorrufen. Ein unvorhergesehener, unsinniger Zusammenbruch, der außerhalb jeder Vernunft und Logik lag.
Indessen wurde die Geschichte ruchbar, Saccard avancierte zum großen Mann. Und wie ein Croupier hatte er mit einem einzigen Zug seines Rechens fast das gesamte, von den Baissiers verlorene Geld zusammengerafft. Er persönlich hatte zwei Millionen in die Tasche gesteckt. Der Rest sollte in die Kassen der Banque Universelle fließen oder vielmehr in den Händen der Mitglieder des Verwaltungsrates dahinschmelzen. Mit großer Mühe überzeugte er schließlich Frau Caroline, daß sich Hamelins Anteil an dieser den jüdischen Bankiers völlig legitim abgerungenen Beute auf eine Million belief. Huret, der mit von der Partie gewesen war, hatte sich sein königlich bemessenes Stück herausgeschnitten. Was die anderen betraf, die Daigremont und die Marquis de Bohain, so ließen sie sich keineswegs bitten. Alle zollten dem hervorragenden Direktor Dank und beglückwünschten ihn. Und ein Herz vor allem entbrannte in Dankbarkeit für Saccard, das Herz Florys: er hatte zehntausend Francs gewonnen und konnte nun mit Chuchu eine kleine Wohnung in der Rue Condorcet nehmen und abends zusammen mit Gustave Sédille und Germaine Cœur in die teuren Restaurants gehen. Bei der Zeitung mußte man Jantrou, der wütend war, weil man ihn nicht eingeweiht hatte, eine Zuwendung geben. Nur Dejoie war melancholisch gestimmt, denn er mußte nun ewig bedauern, daß er vergeblich gespürt, wie eines Abends das Glück geheimnisvoll und vage in der Luft gelegen hatte.
Dieser erste Triumph Saccards schien wie ein Aufblühen des Kaiserreiches auf seinem Höhepunkt zu sein. Er trat in das strahlende licht der Macht, war davon ein ruhmreicher Abglanz. Am gleichen Abend, da er immer größer wurde inmitten des Zusammenbruchs der Vermögen, zu der Stunde, als die Börse nur noch ein düsteres Trümmerfeld war, flaggte und illuminierte ganz Paris wie bei einem großen Sieg; Festlichkeiten in den Tuilerien, Volksbelustigungen auf der Straße feierten Napoleon III. als den Herrn Europas, so erhaben und so groß, daß die Kaiser und die Könige ihn zum Schiedsrichter bei ihren Streitigkeiten erwählten und ihm Provinzen übergaben, damit er sie einem von ihnen zuspreche. In der Kammer hatte es wohl protestierende Stimmen gegeben. Unglückspropheten malten dunkel die schreckliche Zukunft an die Wand, die Expansion Preußens, die Frankreich toleriert hatte, das geschlagene Österreich, das undankbare Italien. Aber Gelächter und Wutgeschrei erstickten diese ängstlichen Stimmen, und Paris, der Mittelpunkt der Welt, ließ am Tage nach Königgrätz alle seine Avenuen und Bauwerke in hellem Licht erstrahlen, in Erwartung der finsteren, eisigen Nächte ohne Gasbeleuchtung, die vom Mündungsfeuer der Granaten zerrissen wurden. An jenem Abend schlenderte Saccard im Überschwang seines Erfolges durch die Straßen, über den Place de la Concorde, die Champs-Elysées, alle die Trottoirs mit den brennenden Lampions. Mitgerissen von der steigenden Flut der Spaziergänger, geblendet von diesem taghellen Licht, mochte er glauben, daß man ihm zu Ehren illuminierte: war nicht auch er der unerwartete Sieger, der sich inmitten der Desaster erhob? Nur ein einziger Verdruß hatte ihm die Freude verdorben, der Zorn Rougons, der Huret wutschnaubend vor die Tür gesetzt hatte, als ihm klar wurde, wie der Börsencoup zustande gekommen war. Also war es nicht der große Mann gewesen, der sich als guter Bruder erwiesen und ihm die Nachricht geschickt hatte? Sollte er auf diesen hohen Schutz verzichten, den allmächtigen Minister sogar angreifen müssen? Vor dem Palais der Ehrenlegion stehend, über dem ein riesenhaftes Feuerkreuz funkelnd in den schwarzen Himmel ragte, faßte er plötzlich diesen kühnen Entschluß für den Tag, da er sich stark genug fühlen würde. Und berauscht von den Liedern der Menge und dem Knattern der Fahnen, kehrte er quer durch das
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