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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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eine einfache Zeile darin zu finden, die ihre Berechnung zunichte machen würde. Nein! Die Presse wußte nichts, sie war ganz auf Krieg eingestellt, mit Depeschen und langatmigen Einzelheiten über die Schlacht bei Königgrätz vollgestopft. Wenn bis zwei Uhr nachmittags kein Gerücht durchsickerte, wenn sie an der Börse eine Stunde oder auch nur eine halbe Stunde für sich hatten, war der Coup perfekt, sie konnten zum großen Raubzug gegen das Judentum antreten, wie Saccard sagte. Und sie trennten sich wiederum, jeder lief in seine Richtung, um weitere Millionen in die Schlacht zu werfen.
    Saccard verbrachte diesen Vormittag auf der Straße, zog witternd die Luft ein und verspürte ein solches Bedürfnis, zu Fuß zu gehen, daß er seinen Wagen wegschickte, nachdem er seine erste Besorgung erledigt hatte. Er trat bei Kolb ein, wo ihm der Klingklang des Goldes gleich einer Siegesverheißung angenehm ins Ohr drang, und er war beherrscht genug, dem Bankier, der nichts wußte, auch nichts zu sagen. Er ging dann zu Mazaud hinauf, nicht um ihm neue Orders zu erteilen, sondern nur um Besorgnis wegen der am Abend zuvor gegebenen zu heucheln. Auch hier wußte man noch gar nichts. Nur der kleine Flory machte ihn leicht unruhig, weil er so beharrlich um ihn herumschlich; die einzige Ursache dafür war aber die tiefe Bewunderung des jungen Angestellten für das Finanzgenie des Direktors der Banque Universelle: da ihn Fräulein Chuchu teuer zu stehen kam, wagte er ein paar kleine Geschäfte und träumte davon, die Orders seines großen Mannes kennenzulernen, um sich an seinen Spekulationen beteiligen zu können.
    Nach einem raschen Imbiß bei Champeaux, wo sich Saccard hocherfreut die pessimistischen Klagen Mosers und selbst Pilleraults anhörte, die ein neuerliches Herunterpurzeln der Kurse vorhersagten, fand er sich schon um halb eins auf dem Platz vor der Börse ein. Er wollte die Leute kommen sehen, wie er sich ausdrückte. Die Hitze war drückend, die pralle Sonne über dem Platz ließ die Stufen weiß aufleuchten, und ihr Widerschein erfüllte die Vorhalle mit stickiger Backofenglut; die leeren Stühle knackten in diesem Flammenmeer, während die Spekulanten umherstanden und die schmalen Schattenstreifen hinter den Säulen aufsuchten. Unter einem Baum im Garten gewahrte er Busch und die Méchain, die sich angeregt unterhielten, als sie ihn sahen; wie ihm schien, hatten sie sogar die Absicht, ihn anzusprechen, überlegten es sich dann aber anders: wußten sie vielleicht etwas, diese gemeinen Lumpensammler, die unentwegt nach Wertpapieren suchen, die in die Gosse fallen? Einen Augenblick lief es ihm kalt über den Rücken. Doch eine Stimme rief ihn an, und er erkannte auf einer Bank Maugendre und den Hauptmann Chave; die beiden stritten sich, denn ersterer erging sich jetzt voll Spott über das elende kleine Spiel des Hauptmanns, über diesen Louisdor, den er beim Kassageschäft verdiente wie nach erbitterten Pikettpartien in einem finsteren Provinzcafé. Konnte er nicht wenigstens an diesem Tag mal ein ernsthaftes Geschäft wagen? War die Baisse nicht sicher und sonnenklar? Er rief Saccard zum Zeugen an: stimmte es nicht, daß die Baisse anhalten würde? Stark auf die Baisse engagiert, war er sich seiner Sache so sicher, daß er sein Vermögen aufs Spiel gesetzt hätte. So geradezu befragt, antwortete Saccard mit einem Lächeln, mit einer nichtssagenden Kopfbewegung, während er gleichzeitig Gewissensbisse verspürte, daß er diesen armen Mann nicht warnte, der so klug und arbeitsam gewesen war, als er noch seine Zeltplanen verkaufte; aber er hatte sich unbedingtes Stillschweigen geschworen, er besaß die Grausamkeit des Spielers, der das Glück nicht stören will. In diesem Augenblick wurde er abgelenkt: das Kupee der Baronin Sandorff fuhr vorbei, er folgte ihm mit den Augen und sah es diesmal in der Rue de la Banque halten. Plötzlich dachte er an den Baron Sandorff, den österreichischen Botschaftsrat. Die Baronin wußte sicher Bescheid, gleich würde sie alles verderben durch irgendeine weibliche Ungeschicklichkeit. Schon hatte er die Straße überquert und schlich um das haltende stumme Kupee herum, das wie tot wirkte mit dem Kutscher, der steif auf dem Bock saß. Doch eines der Wagenfenster glitt herunter, er grüßte und trat höflich näher.
    »Nun, Herr Saccard, hält die Baisse noch an?«
    Er glaubte an eine Falle.
    »Aber gewiß doch, gnädige Frau.«
    Als sie ihn dann ängstlich anblickte, mit jenem Flackern in

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