Das Geld - 18
zu kaufen. Er hatte seine acht Millionen Verlust stillschweigend bezahlt, ohne daß ein einziger seiner Vertrauten ein Wort des Zorns und des Grolls vernommen hätte. Wenn er auf diese Weise verlor, was selten vorkam, pflegte er zu sagen, das geschehe ihm recht, das werde ihn lehren, weniger leichtsinnig zu sein; und dann lächelte man, denn Leichtsinn konnte man sich bei Gundermann schlecht vorstellen. Aber diesmal mußte ihm die harte Lektion an die Nieren gegangen sein; wahrscheinlich war ihm der Gedanke unerträglich, daß er, der so kaltblütig war, der die Tatsachen und die Menschen immer im Griff hatte, sich von diesem Draufgänger Saccard, von diesem fanatischen Narren hatte schlagen lassen. Daher begann er ihn seit dieser Zeit zu belauern und war sich seiner Revanche gewiß. Während alle Welt von der Banque Universelle schwärmte, hatte er sofort Stellung als Beobachter bezogen und war überzeugt, daß die zu rasch errungenen Erfolge, die trügerischen Glücksfälle zu den schlimmsten Katastrophen führen. Indes war der Kurs von tausend Francs noch bescheiden, und er wartete noch ab, bevor er sich auf die Baisse einstellte. Seine Theorie war, daß man die Ereignisse an der Börse nicht provozieren, sondern höchstens voraussehen konnte, um daraus Nutzen zu ziehen, wenn sie eingetroffen waren. Die Logik allein regierte, die Wahrheit war bei der Spekulation wie anderswo eine allmächtige Kraft. Sobald die Kurse allzusehr hochgetrieben würden, müßten sie zusammenfallen: an den zehn Fingern ließ sich ausrechnen, daß dann die Baisse käme, und er brauchte nur zur Stelle zu sein, um seine Berechnungen Wirklichkeit werden zu sehen und seinen Gewinn einzustecken. Und er legte schon jetzt fest, beim Kurs von fünfzehnhundert Francs in den Krieg einzutreten. Bei tausendfünfhundert würde er also anfangen, nach einem von vornherein festgelegten Plan Universelle-Aktien zu verkaufen, zunächst wenig und dann bei jeder Liquidation immer mehr. Ein Syndikat von Baissiers war gar nicht nötig, er allein genügte; den vernünftigen Leuten würde sich die Wahrheit förmlich aufdrängen, so daß sie sein Spiel mitspielten. Mochte die Banque Universelle mit ihrem Geschrei in Windeseile den Markt überschwemmen und sich wie eine Drohung vor der jüdischen Hochfinanz aufrichten – er wartete kaltblütig, bis sie von selbst rissig wurde, um sie dann mit einem Schulterstoß zu Boden zu schleudern.
Später erzählte man, Gundermann selbst habe Saccard insgeheim den Ankauf eines alten Gebäudes in der Rue de Londres erleichtert, das dieser abreißen lassen wollte, um statt dessen das prachtvolle Haus seiner Träume zu errichten, den Palast, in dem er sein Werk verschwenderisch unterbringen könnte. Es war ihm gelungen, den Verwaltungsrat zu überzeugen, und die Arbeiter begannen schon Mitte Oktober mit der Arbeit.
Am Tage der feierlichen Grundsteinlegung wartete Saccard gegen vier Uhr in der Redaktion auf Jantrou, der den befreundeten Blättern Berichte von der Feierlichkeit überbrachte, als er Besuch von der Baronin Sandorff bekam. Sie hatte zuerst nach dem Chefredakteur gefragt und war dann wie zufällig dem Direktor der Banque Universelle in die Hände gelaufen, der sich ihr zuvorkommend für alle Auskünfte, die sie einholen wollte, zur Verfügung stellte und sie in das reservierte Zimmer am Ende des Flurs führte. Und dort ergab sie sich beim ersten rohen Angriff auf dem Diwan wie eine Dirne, die sich von vornherein mit diesem Abenteuer abgefunden hat.
Aber die Situation wurde verwickelt, denn es traf sich, daß Frau Caroline, die im Montmartre-Viertel etwas zu besorgen hatte, in die Redaktion kam. Sie schaute bisweilen so herein, um Saccard eine Antwort zu überbringen oder nur um Neuigkeiten zu erfahren. Im übrigen kannte sie ja Dejoie, den sie hier untergebracht hatte, plauderte immer eine Weile mit ihm und freute sich über die Dankbarkeit, die er ihr bezeigte. An diesem Tag traf sie ihn nicht im Vorzimmer an, sondern stieß im Flur auf ihn, wo er gerade an der Tür gelauscht hatte. Das war bei ihm jetzt zur Krankheit geworden, er zitterte vor Fieber und legte das Ohr an alle Schlüssellöcher, um Börsengeheimnisse zu erhaschen. Was er diesmal gehört und verstanden hatte, machte ihn allerdings ein wenig verlegen, und er lächelte unsicher.
»Er ist da drin, nicht wahr?« sagte Frau Caroline und wollte an Dejoie vorbei.
Er hielt sie stammelnd zurück und fand nicht die Zeit für eine Lüge.
»Ja, er ist da
Weitere Kostenlose Bücher