Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
unermeßlichen Schätze der Kalifen waren der Begehrlichkeit von Paris ausgeliefert. Alle Träume, die man sich seit Monaten zuflüsterte, schienen angesichts des allgemeinen Entzückens Wirklichkeit zu werden: die Wiege der Menschheit zurückerobert, die alten historischen Küstenstädte aus ihrem Sand zu neuem Leben erweckt, Damaskus, dann Bagdad, dann Indien und China von der Truppe unserer Ingenieure überschwemmt und ausgebeutet. Was Napoleon mit seinem Säbel nicht hatte vollbringen können, jene Eroberung des Orients, setzte eine Finanzgesellschaft in die Tat um, indem sie eine Armee von Hacken und Karren dorthin schickte. Man eroberte Asien mit Millionen, um Milliarden aus seinem Boden zu stampfen. Und bei den intimen kleinen Fünf-Uhr-Gesellschaften, bei den mondänen großen Mitternachtsempfängen, bei Tisch und in den Alkoven triumphierte vor allem der Kreuzzug der Frauen. Sie hatten es richtig vorausgesagt: Konstantinopel würde erobert werden, bald hätte man Brussa, Angora und Aleppo, später Smyrna, Trapezunt und alle Städte, die die Banque Universelle belagerte, bis zu dem Tag, da man die letzte, die Heilige Stadt, in Besitz nahm, die man nicht nannte, die so etwas wie die eucharistische Verheißung der fernen Expedition war. Die Väter, die Gatten und die Geliebten, von der leidenschaftlichen Inbrunst der Frauen vergewaltigt, sollten den Börsenmaklern ihre Orders nur noch mit dem mehrmaligen Ruf erteilen: Gott will es! Dann kam schließlich die erschreckende Meute der Kleinen, der trampelnde Troß, der hinter den großen Armeen herläuft; die Leidenschaft stieg aus dem Salon in die Küche hinab, ging vom Bürger auf den Arbeiter und auf den Bauern über und warf in diesen irren Galopp der Millionen arme Subskribenten, die nur eine, drei, vier, zehn Aktien besaßen, Conciergen, die sich zur Ruhe setzen wollten, alte Fräulein, die mit ihrem Kater lebten, Pensionäre aus der Provinz, deren tägliche Ausgaben zehn Sous nicht überschreiten durften, Landpriester, die vom Almosengeben mittellos geworden waren, die ganze ausgemergelte und ausgehungerte Masse der Kleinstrentner, die eine Börsenkatastrophe wie eine Seuche hinwegfegt und auf einen Streich ins Massengrab schleudert.
    Und diese Exaltation der Universelle-Aktien, dieser Aufstieg, der sie wie unter einem religiösen Sturmwind in die Höhe riß, schien einherzugehen mit der immer lauteren Musik, die aus den Tuilerien und vom Champ de Mars ertönte, von den nicht enden wollenden Festen, mit denen die Weltausstellung Paris in Rausch versetzte. Die Fahnen knatterten klangvoller in der schwülen Luft der heißen Tage, es verging kein Abend, da nicht die in Flammenschein getauchte Stadt unter dem Sternenhimmel gleich einem riesenhaften Palast glitzerte, in dem die Lasterhaftigkeit bis zum Morgengrauen kein Ende nahm. Die Freude hatte sich von Haus zu Haus gesteigert, die Straßen waren trunken, eine Wolke fahlroter Dämpfe, der Dunst von den Gelagen, der Schweiß der Paarungen verflüchtigte sich zum Horizont, wälzte über die Dächer die Nacht Sodoms, Babylons und Ninives. Seit Mai kamen die Kaiser und die Könige aus allen vier Himmelsrichtungen gepilgert, endlose Heerscharen, fast an die hundert Herrscher und Herrscherinnen, Fürsten und Fürstinnen. Paris war voll von Majestäten und Hoheiten. Es hatte dem Zaren von Rußland und dem Kaiser von Österreich, dem Sultan und dem Statthalter von Ägypten zugejubelt; es hatte sich unter die Räder der Karossen geworfen, um den König von Preußen, dem Herr von Bismarck wie eine treue Dogge folgte, aus nächster Nähe zu sehen. Ständig donnerten Freudensalven über die Esplanade des Invalides, während die Menge, die sich auf der Weltausstellung drängte, den riesigen, düsteren Krupp-Kanonen, die Deutschland ausgestellt hatte, einen populären Erfolg bereitete. Fast jede Woche wurden in der Oper die Kronleuchter für irgendeine offizielle Galavorstellung angezündet. In den kleinen Theatern und in den Restaurants drängte man sich bis zum Ersticken, die Bürgersteige waren nicht mehr breit genug für den über die Ufer getretenen Strom der Prostitution. Und Napoleon III. wollte persönlich die Preise an die sechzigtausend Aussteller verteilen, in einem feierlichen Festakt, der an Prachtentfaltung alles andere übertraf, eine feurige Gloriole, um die Stirn von Paris gebunden, der Glorienschein des Regimes, darin der Kaiser in einer verlogenen Zauberposse als Herr Europas erschien, mit der

Weitere Kostenlose Bücher