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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gelassenheit der Stärke sprach und Frieden verhieß. Am gleichen Tag wurde in den Tuilerien die schreckliche Katastrophe von Mexiko bekannt, die Hinrichtung Maximilians:93 französisches Blut und Gold waren völlig sinnlos vergeudet worden; und man verheimlichte die Nachricht, um die Feste nicht mit Trauer zu überschatten. Ein erstes Totengeläut am Ende dieses herrlichen, von Sonnenlicht gleißenden Tages.
    Da schien es inmitten dieser Herrlichkeit, daß auch Saccards Stern noch aufsteigen sollte zu seinem größten Glanz. Endlich besaß er also, wonach er seit so vielen Jahren strebte; das Glück, das Vermögen – er hatte es sich zum Sklaven gemacht, zu seinem Eigentum, über das er verfügen, das er unter Verschluß halten konnte, lebendig, greifbar. So viele Male hatte die Lüge in seinen Kassen gewohnt, so viele Millionen waren hineingeflossen und durch alle möglichen unbekannten Löcher wieder entströmt. Nein, diesmal war es nicht mehr der trügerische Reichtum der Fassade, sondern die wirkliche Königswürde des Goldes, die solide auf vollen Säcken thront; und diese seine Königsherrschaft übte er nicht wie ein Gundermann aus, für den ein ganzes Geschlecht von Bankiers die Ersparnisse zusammengetragen hatte – stolz schmeichelte er sich, sie aus eigener Kraft erobert zu haben als ein Freibeuter, der ein Königreich im Handstreich nimmt. Zur Zeit seiner Grundstücksgeschäfte im Quartier de lʼEurope war er oft sehr hoch gestiegen, aber nie hatte er das besiegte Paris so demütig zu seinen Füßen gespürt. Und er entsann sich des Tages, da er bei Champeaux zu Mittag gegessen; wieder einmal ruiniert und an seinem Stern zweifelnd, hatte er ausgehungerte Blicke auf die Börse geworfen, von dem Fieber erfaßt, alles von vorn zu beginnen, um alles zurückzuerobern, in einer rasenden Gier, Revanche zu nehmen. Welche Gier nach Genüssen verspürte er jetzt, wo er wieder zum Herrn wurde! Sobald er sich allmächtig glaubte, entließ er zunächst Huret und beauftragte Jantrou, gegen Rougon einen Artikel zu veröffentlichen, in dem der Minister im Namen der Katholiken offen beschuldigt wurde, in der römischen Frage ein doppeltes Spiel zu spielen. Das war die endgültige Kriegserklärung zwischen den beiden Brüdern. Seit dem Abkommen vom 15. September 186494, vor allem seit Königgrätz, gaben sich die Klerikalen den Anschein, als wären sie über die Lage des Papstes lebhaft beunruhigt; jetzt nun nahm »LʼEspérance« ihre alte ultramontane Politik95 wieder auf und griff heftig das Kaiserreich an, dem die Dekrete vom 19. Januar erste liberale Züge verliehen hatten. In der Kammer lief ein Wort von Saccard um, wonach er sich trotz seiner tiefen Zuneigung für den Kaiser eher mit Heinrich V96. abfinden würde, als daß er zuließe, daß der revolutionäre Geist Frankreich in Katastrophen stürzt. Schließlich wuchs mit seinen Siegen seine Wagehalsigkeit, und er verheimlichte nicht mehr seinen Plan, die jüdische Hochfinanz in der Person Gundermanns anzugreifen, dessen Milliarde für den Frontalangriff und die endgültige Einnahme sturmreif geschossen werden sollte. Die Banque Universelle hatte sich so wunderbar vergrößert – warum sollte sie, wenn sie von der ganzen Christenheit unterstützt wurde, nicht in einigen Jahren die unumschränkte Herrin an der Börse sein? Und voll streitlustiger Prahlerei spielte er sich als ebenso mächtiger Rivale und Nachbarkönig auf, während Gundermann, sehr phlegmatisch und ohne auch nur das Gesicht spöttisch zu verziehen, weiter lauerte und abwartete und nur sehr interessiert die ständige Hausse der Aktien verfolgte, ein Mann, der seine ganze Stärke auf die Geduld und auf die Logik gegründet hat.
    Es war die Leidenschaft, die Saccard auf solche Weise erhöhte, und seine Leidenschaft sollte ihn auch zugrunde richten. In der Sättigung seiner Begierden hätte er einen sechsten Sinn in sich entdecken mögen, um auch ihn befriedigen zu können. Frau Caroline, die jetzt nur noch lächelte, selbst wenn ihr das Herz blutete, blieb ihm eine Freundin, die er mit einer Art ehelicher Hochachtung anhörte. Die Baronin Sandorff, deren blaue Lider und rote Lippen ganz ohne Frage logen, begann ihn zu langweilen, denn bei all ihrer perversen Neugier blieb sie eiskalt. Im übrigen hatte er selbst ja auch nie große Leidenschaften kennengelernt, weil er der Welt des Geldes angehörte, zu sehr beschäftigt war, seine Nerven anderweitig verausgabte und die Liebe monatsweise bezahlte.

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