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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Huret erzählte, wie er in Rom den Segen des Papstes empfangen hatte. Kolb war verschwunden, er hatte eine Verabredung. Und den anderen Administratoren, den Statisten, erteilte Saccard mit leiser Stimme Befehle, welche Haltung sie bei der nächsten Versammlung einnehmen sollten.
    Aber Daigremont, den der Vicomte de Robin-Chagot mit seinen maßlosen Lobliedern auf Hamelins Bericht langweilte, ergriff im Vorbeigehen den Arm des Direktors und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Nun mal nicht gar so überschwenglich, wie?«
    Saccard blieb mit einem Ruck stehen und schaute ihn an. Er entsann sich, wie sehr er am Anfang gezögert hatte, ihn in das Geschäft einzuweihen, da er ihn als wenig zuverlässig kannte.
    »Ach was, wer mich liebt, soll mir folgen!« antwortete er so laut, daß ihn jedermann hören konnte.
    Drei Tage später wurde im großen Festsaal des Hôtel du Louvre die außerordentliche Generalversammlung abgehalten. Für eine solche Feierlichkeit hatte man den armseligen kahlen Saal in der Rue Blanche verschmäht, man wollte einen Prunksaal, der zwischen einem Festessen und einem Hochzeitsball nicht kalt wurde. Nach den Statuten mußte man Inhaber von mindestens zwanzig Aktien sein, um zugelassen zu werden, und es kamen über zwölfhundert Aktionäre, die viertausend und etliche Stimmen vertraten. Die Formalitäten beim Einlaß, das Vorzeigen der Karten und die Eintragung in der Liste, nahmen fast zwei Stunden in Anspruch. Fröhlicher Stimmenlärm erfüllte den Saal, in dem man alle Administratoren und viele hohe Angestellte der Banque Universelle sehen konnte. Sabatani war da, stand in einer Gruppe, sprach in schmachtendem, säuselndem Tonfall über den Orient, seine Heimat, und erzählte wunderbare Geschichten, als ob man sich dort nur zu bücken brauchte, um Silber, Gold und Edelsteine aufzulesen; Maugendre, der sich im Juni entschlossen hatte, fünfzig Universelle-Aktien zu zwölfhundert Francs zu kaufen, weil er von der Hausse überzeugt war, hörte ihm mit offenem Munde zu und freute sich über seinen Spürsinn, während Jantrou, der ein liederliches Leben führte, seitdem er reich war, mit ironisch verzogenem Mund heimlich grinste, noch ganz erschöpft von seiner Ausschweifung am Vorabend. Nachdem der Vorstand benannt war und Hamelin, der rechtmäßige Präsident, die Sitzung eröffnet hatte, ersuchte man Lavignière – der als Revisor wiedergewählt worden war und den man nach Ablauf des Geschäftsjahres zum Administrator befördern wollte, wovon er schon lange träumte –, einen Bericht über die Finanzlage der Gesellschaft zu verlesen, so wie man sie für den 31. Dezember erwartete; um den Statuten Genüge zu tun, wurde die vorweg geschätzte Bilanz, von der gleich die Rede sein sollte, gewissermaßen im vorhinein geprüft. Er erinnerte an die Bilanz des letzten Geschäftsjahres, die der turnusmäßigen Versammlung im April vorgelegt worden war, jene großartige Bilanz, die einen Reingewinn von elfeinhalb Millionen ausgewiesen und erlaubt hatte, nach Abzug der fünf Prozent für die Aktionäre, der zehn Prozent für die Administratoren und der zehn Prozent für den Reservefonds noch eine Dividende von dreiunddreißig Prozent auszuschütten. Dann legte er unter einer Sintflut von Zahlen dar, daß die Summe von sechsunddreißig Millionen, auf die der gesamte Reingewinn aus dem laufenden Geschäftsjahr geschätzt wurde, ihm beileibe nicht übertrieben erscheine, sondern noch hinter den bescheidensten Hoffnungen zurückbleibe. Zweifellos war er guten Glaubens, und er mußte die seiner Kontrolle unterbreiteten Schriftstücke gewissenhaft geprüft haben; aber nichts ist trügerischer, denn um sich über eine Buchführung gründlich Aufschluß zu verschaffen, muß man eine zweite, gänzlich neu angefertigte heranziehen. Übrigens hörten die Aktionäre gar nicht zu. Nur einige Andächtige, Maugendre und andere Kleinaktionäre, die ein oder zwei Stimmen vertraten, sogen jede Zahl inmitten des anhaltenden Stimmengemurmels in sich ein. Die Kontrolle der Revisoren war völlig belanglos. Erst als Hamelin endlich aufstand, breitete sich religiöse Stille aus. Noch bevor er den Mund aufgetan hatte, wurde Beifall laut als Huldigung für seinen Eifer, für die Beharrlichkeit und den Mut dieses Mannes, der von so weit her Tonnen voll Gold geholt hatte, um sie über Paris auszuschütten. Von da an war es nur noch ein wachsender Erfolg, der sich zur Apotheose steigerte. Man jubelte, als Hamelin noch einmal an die Bilanz des

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