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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gekauft und unter dem Säulengang zu dreitausendfünfunddreißig wieder verkauft. In weniger als drei Minuten hatte er dabei sechzigtausend Francs gewonnen. Durch die ausgleichende Wirkung, die die beiden Märkte, der gesetzliche und der geduldete, aufeinander ausüben, ließ der Kauf den Kurs an der Corbeille erneut auf dreitausenddreißig anziehen. Der Galopp der Gehilfen vom Saal zur Vorhalle nahm kein Ende, sie arbeiteten sich mit den Ellbogen durch das Gewühl. Der Kurs der Kulisse drohte gerade nachzugeben, als die Order, die Massias Nathansohn brachte, ihn bei dreitausendfünfunddreißig hielt und sogar auf dreitausendvierzig erhöhte; infolgedessen fand das Papier auch an der Corbeille zu seinem ersten Kurs zurück. Aber es war schwierig, ihn dabei zu halten, denn die Taktik Jacobys und der anderen Makler, die im Auftrag der Baissiers operierten, bestand offensichtlich darin, die großen Verkäufe für den Börsenschluß aufzuheben, um den Markt damit zu überschwemmen und im Durcheinander der letzten halben Stunde einen Zusammenbruch herbeizuführen. Saccard sah die Gefahr sehr deutlich und informierte durch ein vereinbartes Zeichen Sabatani, der ein paar Schritte weiter mit der gleichgültigen, erschlafften Miene eines Frauenhelden eine Zigarette rauchte. Geschmeidig wie eine Schlange begab sich letzterer sogleich in die Gitarre, wo er mit gespitzten Ohren die Kurse verfolgte und Mazaud unaufhörlich Orders auf grünen Zetteln schickte, von denen er genügend vorrätig hatte. Aber der Angriff war so heftig, daß die Universelle trotz allem erneut um fünf Francs sank.
    Es schlug Viertel vor drei, nur noch eine Viertelstunde blieb bis zum Glockenschlag des Börsenschlusses. In diesem Augenblick geriet die Menge in Bewegung und schrie wie unter der Geißel einer Höllenpein; die Corbeille bellte, heulte und dröhnte, als ob Kupfergeschirr in tausend Stücke zerschlagen würde. Und es kam zu dem von Saccard längst ungeduldig erwarteten Ereignis.
    Der kleine Flory, der seit Beginn alle zehn Minuten vom Telegrafen heruntergekommen war, die Hände voller Depeschen, erschien abermals, drängte sich durch die Menge und las diesmal ein Telegramm, von dem er entzückt schien.
    »Mazaud! Mazaud!« rief eine Stimme.
    Und Flory wandte natürlich den Kopf, als hätte man ihn mit seinem eigenen Namen gerufen. Es war Jantrou, der wissen wollte, was los war. Aber Flory stieß ihn beiseite. Er hatte es eilig, außer sich vor Freude bei dem Gedanken, daß die Universelle mit Kursgewinn schließen würde; denn die Depesche meldete, daß das Papier an der Lyoner Börse stieg, wo so umfangreiche Käufe abgeschlossen worden waren, daß sie sich an der Pariser Börse spürbar auswirken mußten. In der Tat trafen bereits weitere Depeschen ein, eine große Zahl von Maklern empfing Orders. Das Ergebnis zeigte sich sofort und war beachtlich.
    »Ich nehme Universelle zu dreitausendvierzig«, wiederholte Mazaud in seinem schrillen Diskant.
    Und Delarocque, von der Nachfrage überrumpelt, erhöhte um fünf Francs.
    »Ich nehme zu dreitausendfünfundvierzig …«
    »Biete zu dreitausendfünfundvierzig«, brüllte Jacoby. »Zweihundert Stück zu dreitausendfünfundvierzig.«
    »Geben Sie her!«
    Nun bot Mazaud selbst mehr.
    »Ich nehme zu dreitausendfünfzig.«
    »Wieviel?«
    »Fünfhundert … Geben Sie her!«
    Aber der von einem epileptischen Gestikulieren begleitete fürchterliche Radau nahm derart zu, daß die Makler einander selber nicht mehr verstanden. Und ganz in der Raserei ihres Gewerbes, die sie vorwärtsriß, verständigten sie sich jetzt durch Gebärden, weil die dumpfen Bässe der einen verpufften, während die Flötenstimmen der anderen zu einem Nichts schrumpften. Man sah, wie die Münder weit aufgerissen wurden, ohne daß ein vernehmlicher Laut aus ihnen hervorkam. Nur die Hände redeten: eine Gebärde von innen nach außen hieß Angebot, eine Gebärde von außen nach innen meinte »akzeptiert«; die ausgestreckten Finger zeigten die Stückzahl an, Kopfbewegungen bedeuteten »ja« oder »nein«. Das alles war wie einer dieser Wahnsinnsanfälle, die die Massen treffen, nur den Eingeweihten verständlich. Oben von der Telegrafengalerie neigten sich Frauenköpfe verwundert und entsetzt auf das außergewöhnliche Schauspiel herab. Am Markt der französischen Staatspapiere konnte man meinen, es sei eine Rauferei im Gange; ein Menschenknäuel in der Mitte schlug verbissen um sich, während der hin und zurück flutende

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