Das Geld - 18
Publikumsstrom, der diesen Teil des Saals durchquerte, die unaufhörlich auseinandergerissenen und sich neu formierenden Gruppen ständig hin und her schob. Zwischen dem Kassamarkt und der Corbeille ragten nur noch die drei Kursschreiber auf ihren hohen Stühlen aus den sturmgepeitschten Wogen dieses Häuptermeeres, schwammen wie Strandgut mit dem großen weißen Fleck ihres Registers obenauf und wurden durch die rasche Fluktuation der Kurse, die man ihnen zuschrie, von links und rechts beschossen. Am Kassamarkt war das Gedränge am größten, Gesichter waren nicht zu sehen, eine kompakte Masse von Haarschöpfen bildete ein finsteres Gewimmel, das nur die hellen Tupfen der in der Luft geschwenkten Handbücher aufhellten. Und an der Corbeille, rings um das Becken, das die zusammengeknüllten Auftragszettel jetzt wie mit einer bunten Blumenpracht füllten, grauten Haare, schimmerten Glatzen, sah man die Blässe der verstörten Gesichter, die fiebrig ausgestreckten Hände, die ganze tanzende Bewegung der Körper, die hier mehr Platz hatten, drauf und dran, sich gegenseitig zu verschlingen, wenn nicht die Brüstung sie zurückgehalten hätte. Das Wüten der letzten Minuten hatte auch das Publikum erfaßt, das sich im Saal zerquetschte, ein gewaltiges Trampeln, das an die wilde Flucht einer großen Herde gemahnte, die man in einen zu schmalen Gang hetzt. Die Gehröcke waren ausgelöscht, allein die Seidenzylinder glänzten in dem diffusen Licht, das durch das Glasdach fiel.
Aber plötzlich zerriß ein Glockenton den Tumult. Alles wurde ruhig, das Gestikulieren hörte auf, die Stimmen schwiegen bei den Kassageschäften, am Markt der französischen Staatspapiere und an der Corbeille. Nur das dumpfe Grollen des Publikums blieb, wie das stetige Rauschen eines Gießbachs, der in sein Bett zurückkehrt und allmählich versickert. Und in der anhaltenden Erregung kursierten die letzten Kurse, Universelle war auf dreitausendsechzig gestiegen, abermals ein Gewinn von dreißig Francs gegenüber dem Kurs vom Vortag. Die Niederlage der Baissiers war komplett, die Liquidation sollte für sie ein weiteres Mal katastrophal ausfallen, denn die Differenzen am Medio würden sich auf beträchtliche Summen belaufen.
Bevor Saccard den Saal verließ, reckte er sich einen Augenblick empor, gleichsam um die Menge ringsum besser überblicken zu können. Er war wirklich größer geworden, erhoben von einem solchen Triumph, daß sich seine ganze kleine Person aufblähte, streckte und ins Riesenhafte wuchs. Er schien auf diese Weise über die Köpfe hinweg den nicht anwesenden Gundermann zu suchen, den er gern am Boden gesehen hätte, wie er das Gesicht verzog und um Gnade bat; aber wenigstens sollten all die unbekannten Kreaturen dieses Juden, die ganze dreckige Clique, die grämlich hier versammelt war, ihn selbst, verklärt vom Glorienschein seines Erfolges, sehen können. Das war ein großer Tag, von dem man noch sprechen sollte, wie man von Austerlitz und Marengo102 spricht. Seine Kunden, seine Freunde waren herbeigestürzt. Der Marquis de Bohain, Sédille, Kolb und Huret schüttelten ihm beide Hände, während ihn Daigremont mit dem verlogenen Lächeln seiner weltmännischen Liebenswürdigkeit beglückwünschte, wohl wissend, daß man an der Börse an solchen Siegen stirbt. Maugendre hätte ihn vor Begeisterung am liebsten auf beide Wangen geküßt, er war empört, als er Hauptmann Chave trotz alledem mit den Achseln zucken sah. Doch die alles übertreffende, gottesfürchtige Verehrung erwies ihm Dejoie, der im Laufschritt aus der Redaktion gekommen war, um sofort den letzten Kurs zu erfahren, und der nun ein paar Schritte abseits stand, reglos und mit tränenglänzenden Augen, von Zärtlichkeit und Bewunderung wie festgenagelt. Jantrou war verschwunden, zweifellos überbrachte er der Baronin Sandorff die Nachricht. Massias und Sabatani atmeten freudestrahlend auf wie am Abend nach einer siegreichen großen Schlacht.
»Na, was habe ich gesagt?« rief Pillerault entzückt.
Mit langem Gesicht brummte Moser dumpfe Drohungen.
»Ja, ja, hinterm Graben kommt dann der Sturz … Da ist die Rechnung für Mexiko zu bezahlen, die Angelegenheiten Roms werden seit Mentana103 immer verwickelter, und Deutschland wird eines schönen Tages über uns herfallen … Ja, ja, und diese Schwachköpfe steigen immer höher, um desto tiefer zu stürzen! Ach, bald ist alles vorbei, Sie werdenʼs sehen!«
Als Salmon diesmal ernst blieb und sie ansah, fuhr Moser
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