Das Geld - 18
Geldhändler war, wie er gern zu sagen pflegte, und kein Spekulant, so war er sich doch deutlich bewußt, daß er der alleinige Herr des Marktes sein mußte, wenn er dieser Händler, der erste in der Welt, der über das öffentliche Vermögen gebot, bleiben wollte; und er kämpfte, nicht um den unmittelbaren Gewinn, sondern um seine Königswürde, um sein Leben. Daher die kalte Verbissenheit, die wilde Größe dieses Kampfes. Begegnete man ihm auf den Boulevards oder in der Rue Vivienne, trug er das bleiche, unerbittliche Antlitz, den Schritt eines erschöpften Greises zur Schau und verriet nicht die geringste Unruhe. Er glaubte nur an die Logik. War der Kurs von zweitausend Francs überschritten, begann für die Aktien der Banque Universelle die Torheit; bei dreitausend war es der reine Wahnsinn, sie mußten fallen, so wie ein Stein, der in die Luft geschleudert wird, zwangsläufig wieder herabfällt. Und er wartete. Würde er seine ganze Milliarde riskieren? Rings um Gundermann erschauerte man vor Bewunderung und auch in dem Wunsch, zu sehen, wie er endlich verschlungen wurde; wohingegen Saccard, der eine stürmischere Begeisterung erweckte, die Frauen, die Salons, die ganze vornehme Welt der Spekulanten auf seiner Seite hatte, die so schöne Gewinne einheimsten, seitdem sie Geld aus ihrem Glauben schlugen, indem sie mit dem Berg Karmel und mit Jerusalem schacherten. Der nahe Ruin der jüdischen Hochfinanz war beschlossene Sache, der Katholizismus sollte das Reich des Geldes erobern, wie er das Reich der Seelen erobert hatte. Doch obschon seine Truppen schwer verdienten, war Saccard selbst mit dem Geld am Ende, denn die ständigen Aktienkäufe leerten seine Kassen. Von zweihundert verfügbaren Millionen lagen auf diese Weise fast zwei Drittel fest: ist der Erfolg zu groß, der Triumph zu atemberaubend, muß man daran ersticken. Jede Gesellschaft, die an der Börse herrschen will, um den Kurs ihrer Aktien zu befestigen, ist zum Zusammenbruch verurteilt. Daher hatte Saccard zu Anfang nur vorsichtig eingegriffen. Aber er war stets ein Mann der Phantasie gewesen, der die Dinge zu groß sah, der seine dunklen, abenteuerlichen Schachereien in Poesie verwandelte; und dieses wirklich riesenhafte, blühende Geschäft ließ ihn diesmal von allzu verwegenen Eroberungen träumen, brachte ihn auf einen so verrückten, so ungeheuren Gedanken, daß er ihn nicht einmal für sich selbst in Worte zu kleiden wagte. Ach, wenn er Millionen besessen hätte, immerzu neue Millionen wie diese dreckigen Juden! Das Schlimme war, daß er seine Truppen zu Ende gehen sah, nur noch ein paar Millionen blieben für das Gemetzel. Kam dann die Baisse, wäre er an der Reihe, Differenzen zu bezahlen, und weil er die Stücke nicht abnehmen konnte, wäre er wohl oder übel gezwungen, auf dem Wege des Reportgeschäfts zu prolongieren. In seinem Siegeslauf mußte das kleinste Sandkörnchen seine große Maschine umwerfen. Man war sich dessen dumpf bewußt, auch unter den Getreuen, die an die Hausse glaubten wie an den lieben Gott. Das war es, was Paris so leidenschaftlich erregte: die Verwirrung und der Zweifel, in denen man lebte, dieses Duell zwischen Saccard und Gundermann, in dem der Sieger verblutete, dieses Handgemenge der beiden legendären Ungeheuer, die zwischen ihren Leibern die armen Teufel, die es wagten, ihr Spiel zu spielen, zermalmten und auf dem Trümmerberg, den sie anhäuften, sich gegenseitig zu erwürgen drohten.
Am 3. Januar, einen Tag, nachdem die Rechnungen der letzten Liquidation beglichen worden waren, fiel die Universelle plötzlich um fünfzig Francs. Die Aufregung war groß. Allerdings waren alle Kurse gefallen; überall auf dem Markt, der seit langem überlastet und über jedes Maß hinaus aufgebläht war, krachte es, zwei oder drei unlautere Geschäfte brachen lärmend zusammen. Im übrigen hätte man an diese heftigen Sprünge der Kurse gewohnt sein müssen, die, unruhig wie eine Kompaßnadel bei Gewitter, bisweilen an einem einzigen Börsentag um mehrere hundert Francs schwankten. Aber in dem starken Beben, das durch den Saal ging, spürten alle den Beginn des Zusammenbruchs. Die Universelle sinkt – dieser Schrei lief von Mund zu Mund und verbreitete sich in einem Massenaufruhr, in dem sich Verwunderung, Hoffnung und Furcht mischten.
Bereits am nächsten Tag erzielte Saccard, unerschütterlich und lächelnd auf seinem Posten, dank beträchtlicher Käufe wieder einen Kursgewinn von dreißig Francs. Allein am 5. betrug die
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