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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Begeisterung des Publikums, das trotz der übertrieben hohen Kurse hartnäckig kaufte, doch beruhigend auf ihn. Unter den Absendern der Depeschen fiel ihm ein Name auf: Fayeux, der Kuponeinnehmer aus Vendôme, der sich unter den Pächtern, Betschwestern und Priestern seiner Provinz offenbar eine außerordentlich zahlreiche Kundschaft kleiner Käufer herangezogen hatte, denn es verging keine Woche, ohne daß er auf diese Weise ein Telegramm nach dem anderen schickte.
    »Geben Sie das zu den Kassageschäften«, sagte Mazaud zu Flory. »Und warten Sie nicht, bis man Ihnen die Depeschen herunterbringt! Bleiben Sie oben, nehmen Sie sie selber in Empfang!«
    Flory stützte sich mit den Ellbogen auf die Balustrade des Kassamarktes und schrie aus vollem Halse:
    »Mazaud! Mazaud!«
    Und Gustave Sédille kam heran; denn an der Börse verlieren die Angestellten ihren Namen, sie tragen nur noch den Namen des Maklers, den sie vertreten. Auch Flory hieß Mazaud. Nachdem Gustave bald zwei Jahre lang dem Maklerbüro ferngeblieben war, hatte er dort seine Arbeit gerade wieder aufgenommen, um seinen Vater zu bewegen, seine Schulden zu bezahlen; und an diesem Tag war er in Abwesenheit des ersten Gehilfen mit den Kassageschäften beauftragt, was er lustig fand. Flory flüsterte ihm etwas ins Ohr, und beide kamen überein, für Fayeux erst zum letzten Kurs zu kaufen, nachdem sie auf seine Orders für sich selbst spekuliert hätten; sie wollten zunächst auf den Namen ihres gewohnten Strohmannes kaufen und wiederverkaufen, so daß sie die Differenz einstreichen konnten, da ihnen ja die Hausse sicher schien.
    Indessen kehrte Mazaud zur Corbeille zurück. Aber bei jedem Schritt übergab ihm ein Aufseher von irgendeinem Kunden, der nicht hatte an ihn herankommen können, einen Auftragszettel, auf den mit Bleistift eine Order gekritzelt war. Jeder Makler hatte seine eigenen Zettel in einer besonderen Farbe, rot, gelb, blau, grün, damit man sie leicht erkennen konnte. Die von Mazaud waren grün, in der Farbe der Hoffnung; und die kleinen grünen Zettel in seiner Hand wurden immer mehr bei dem fortwährenden Kommen und Gehen der Aufseher, welche die Zettel am Rande der Gänge aus der Hand der Angestellten und Spekulanten entgegennahmen, die alle mit einem Vorrat an solchen Zetteln ausgestattet waren, um Zeit zu gewinnen. Vor der Samtbrüstung traf Mazaud wieder auf Jacoby, der gleichfalls einen Packen Zettel in der Hand hielt, der unaufhörlich größer wurde, rote Zettel von dem leuchtenden Rot vergossenen Blutes: zweifellos Orders von Gundermann und seinen Getreuen, denn jedermann wußte, daß Jacoby in dem Gemetzel, das sich anbahnte, der Makler der Baissiers, der Hauptscharfrichter der jüdischen Bank war. Er plauderte jetzt mit einem anderen Makler, mit seinem Schwager Delarocque, der als Christ eine Jüdin geheiratet hatte, ein dicker, untersetzter Rotkopf mit Glatze, der in den Klubs verkehrte. Man wußte, daß er die Orders von Daigremont bekam, der sich seit kurzem mit Jacoby überworfen hatte, so wie früher mit Mazaud. Die Geschichte, die Delarocque erzählte, eine saftige Geschichte von einer Frau, die ohne Hemd zu ihrem Mann nach Hause gekommen war, ließ seine blinzelnden kleinen Augen aufleuchten, während er mit leidenschaftlichem Mienenspiel sein Handbuch schwenkte, aus dem das Bündel seiner Auftragszettel quoll, blaue Zettel, vom zarten Blau eines Aprilhimmels.
    »Herr Massias fragt nach Ihnen«, sagte ein Aufseher zu Mazaud.
    Flink kehrte der Makler ans Ende des Ganges zurück. Der Remisier, ganz im Dienste der Banque Universelle stehend, brachte ihm Nachrichten von der Kulisse, die unter dem Säulengang schon arbeitete, ungeachtet des schrecklichen Frostes. Ein paar Spekulanten wagten sich trotzdem hinaus, kehrten aber für Augenblicke in den Saal zurück, um sich aufzuwärmen, während die Kulissenmakler, in dicke Überzieher mit hochgeschlagenem Pelzkragen gehüllt, durchhielten; wie gewöhnlich standen sie im Kreis unter der Uhr, ereiferten sich, schrien und gestikulierten so heftig, daß sie die Kälte nicht spürten. Der kleine Nathansohn gehörte zu den Rührigsten; er war auf dem besten Wege, ein großer Herr zu werden, denn das Glück hatte ihn begünstigt seit dem Tage, da er als ein vom Crédit Mobilier entlassener einfacher kleiner Angestellter auf den Gedanken gekommen war, ein Zimmer zu mieten und einen Schalter aufzumachen.
    Rasch erklärte Massias, daß die Kurse unter dem Gewicht der Aktien, die die

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