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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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    »Das ist auch Ihre Meinung, nicht wahr? Wenn alles zu gut läuft, dann kracht bald alles zusammen.«
    Indessen leerte sich der Saal, es blieb nur noch der Zigarrenqualm in der Luft, eine bläuliche Wolke, von dem aufgewirbelten Staub verdichtet und gelb verfärbt. Mazaud und Jacoby hatten wieder ihre korrekte Haltung angenommen und waren gemeinsam in das Maklerzimmer zurückgekehrt, wobei den letzteren die heimlichen persönlichen Verluste mehr aufregten als die Niederlage seiner Kunden, während Mazaud, der nicht spekulierte, über den letzten Kurs frohlockte, den er so mutig hochgetrieben hatte. Sie plauderten ein paar Minuten mit Delarocque, um Verbindlichkeiten auszutauschen, in der Hand ihre Börsenbücher voller Notizen, die ihre Liquidatoren noch am gleichen Abend auswerten mußten, um die getätigten Geschäfte zu übertragen. Unterdessen vergnügten sich Flory und Gustave Sédille lärmend im Saal für die Gehilfen, einem niedrigen, von dicken Pfeilern durchzogenen Raum, der mit seinen Pultreihen und der Kleiderablage im Hintergrund nach einem verwahrlosten Klassenzimmer aussah; sie hatten ihre Hüte geholt und warteten auf den mittleren Kurs, den die Angestellten des Börsenkonsortiums an einem der Pulte nach dem höchsten und dem niedrigsten Kurs errechneten. Als der Anschlag gegen halb vier an einem der Pfeiler ausgehängt wurde, wieherten die beiden, glucksten und krähten vor Freude über das schöne Geschäft, das sie durch den Handel mit den Kaufaufträgen von Fayeux gemacht hatten. Das waren zwei Solitäre104 für Chuchu, die Flory mit ihren Forderungen tyrannisierte, und ein Halbjahresvorschuß für Germaine Cœur, die Gustave dummerweise Jacoby vollends ausgespannt hatte, Jacoby nahm sich jetzt monatsweise eine Kunstreiterin vom Hippodrom. Übrigens dauerte der Lärm im Saal für die Gehilfen noch lange an, alberne Possen wurden getrieben, Hüte flogen durch die Luft, als wäre eine Schar Schulbuben in der Pause losgelassen. Und andererseits schloß die Kulisse in der Vorhalle die letzten Geschäfte ab, schritt Nathansohn, froh über seine Arbitrage, mit der Welle der letzten Spekulanten, die trotz der schrecklichen Kälte geblieben waren, die Stufen hinab. Um sechs Uhr würde sich diese ganze Welt der Spekulanten, Wechselmakler, Kulissenmakler und Remisiers, nachdem die einen ihren Gewinn oder Verlust festgestellt, die anderen ihre Maklergebühren errechnet hatten, in den Frack werfen, um mit ihren verderbten Begriffen vom Geld den Rest des Tages totzuschlagen, in den Restaurants und den Theatern, auf glanzvollen Abendgesellschaften und in den Alkoven der Kokotten.
    An diesem Abend sprach das wachende, sich amüsierende Paris nur von dem fürchterlichen Duell zwischen Gundermann und Saccard. Aus Leidenschaft und Mode ganz dem Börsenspiel ergeben, warfen die Frauen mit Fachausdrücken wie Liquidation, Prämie, Report und Deport um sich, ohne sie immer zu verstehen. Man redete zumal von der kritischen Lage der Baissiers, die seit so vielen Monaten bei jeder neuen Liquidation in dem Maße, wie die Universelle-Aktien stiegen und jede vernünftige Grenze überschritten, immer größere Differenzen bezahlten. Gewiß spekulierten viele ohne Deckung und prolongierten, weil sie die Stücke nicht liefern konnten; doch in der Hoffnung auf einen nahe bevorstehenden Kurssturz setzten sie hartnäckig ihre Baisseoperationen fort. Und trotz der Reporte, die um so mehr in die Höhe gingen, je knapper das Geld wurde, war die Vernichtung der erschöpften, zerschmetterten Baissiers abzusehen, wenn die Hausse anhielt. Die Lage Gundermanns hingegen, ihres allmächtigen Chefs, war anders, denn er hatte in seinen Kellern eine Milliarde, die unerschöpflichen Truppen, die er in das Gemetzel schickte, so lang und mörderisch der Feldzug auch sein mochte. Das war die unbezwingliche Kraft, er konnte ungedeckt verkaufen in der Gewißheit, daß er seine Differenzen bis zu dem Tag bezahlen würde, da die unvermeidliche Baisse ihm den Sieg brachte.
    Man redete darüber, und man berechnete die gewaltigen Summen, die er schon hineingesteckt haben mußte, wenn er so am 15. und 30. eines jeden Monats wie ganze Reihen von Soldaten, die der Kugelhagel hinwegrafft, Säcke voller Geld auffahren ließ, das im Feuer der Spekulation dahinschmolz. Noch nie hatte er an der Börse einen so ungestümen Angriff auf seine Macht erlebt, die nach seinem Willen unumschränkt und unbestritten sein sollte; denn wenn er auch ein einfacher

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