Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
reich machen, da wir ja jedermann zum Glück verhelfen.«
    Und in seiner glücklichen, fieberhaften Erregung suchte er ihre Lippen, um sie zu küssen. Aber mit einer schroffen Bewegung hatte sie den Kopf weggezogen und war, von plötzlichem Unbehagen befallen, ernst und blaß geworden.
    »Nein, bitte nicht.«
    Seitdem sie sich ihm in einem Augenblick mangelnder Selbstkontrolle hingegeben hatte, versuchte er zum erstenmal wieder, sie zu nehmen. Da die ernsten Geschäfte eingeleitet waren, dachte er an sein Glück in der Liebe und wollte auch von dieser Seite her die Lage klären. Ihre lebhaft abweisende Bewegung verwunderte ihn.
    »Ganz ehrlich, würde Ihnen das weh tun?«
    »Ja, sehr.«
    Sie beruhigte sich und lächelte.
    »Und gestehen Sie es nur, Ihnen liegt selbst nicht viel daran.«
    »Mir? Oh, ich bete Sie an.«
    »Nein, sagen Sie das nicht. Sie werden bald so beschäftigt sein! Und dann … ich versichere Ihnen, ich bin bereit, wahre Freundschaft für Sie zu empfinden, wenn Sie der Mann der Tat sind, für den ich Sie halte, und wenn Sie alle die großen Dinge vollbringen, von denen Sie reden … Sehen Sie, Freundschaft ist viel besser!«
    Immer noch lächelnd, hörte er ihr zu und war doch verlegen und betroffen. Sie verweigerte sich ihm. Zu dumm, daß er sie nur einmal besessen hatte, damals, als er sie überrumpelt hatte. Doch darunter litt nur seine Eitelkeit.
    »Also bloß Freunde?«
    »Ja, ich will Ihr Kamerad sein, ich werde Ihnen helfen … Lassen Sie uns Freunde, wahre Freunde sein!«
    Sie hielt ihm die Wangen hin, und besiegt, weil er fand, daß sie recht hatte, drückte er zwei herzhafte Küsse darauf.

Drittes Kapitel
    Der Brief des russischen Bankiers aus Konstantinopel, den Sigismond übersetzt hatte, enthielt die erwartete günstige Antwort, um in Paris das Geschäft anlaufen zu lassen; und schon am übernächsten Tag hatte Saccard beim Erwachen die Eingebung, daß er noch am gleichen Tag handeln und vor Einbruch der Nacht auf einen Schlag das Konsortium gebildet haben müsse, dessen er sich versichern wollte, um im voraus die fünfzigtausend Aktien zu je fünfhundert Francs seiner Aktiengesellschaft unterzubringen, die ein Stammkapital von fünfundzwanzig Millionen haben sollte.
    Als er aus dem Bett sprang, hatte er endlich den Namen für diese Gesellschaft gefunden, das Firmenschild, das er seit langem suchte. Die Worte »Banque Universelle«, Universal-Bank, hatten plötzlich, wie in Flammenschrift geschrieben, in dem noch dunklen Zimmer vor ihm gestanden.
    »Banque Universelle«, wiederholte er ständig, während er sich ankleidete, »Banque Universelle – das ist einfach, das ist groß, das umfaßt alles, das birgt die Welt in sich … Ja, ja, vortrefflich! Banque Universelle!«
    Bis halb zehn durchwanderte er, in Gedanken versunken, die großen Zimmer und wußte nicht, wo in Paris er seine Jagd auf die Millionen beginnen sollte. Fünfundzwanzig Millionen lassen sich noch auftreiben an einer Straßenecke; aber es war die Qual der Wahl, die ihn überlegen ließ, denn er wollte ein bißchen Methode hineinbringen. Er trank eine Tasse Milch, er wurde auch nicht ärgerlich, als der Kutscher heraufkam und ihm sagte, daß es dem Pferd nicht gut gehe, zweifellos infolge einer Erkältung, und daß es klüger wäre, den Tierarzt kommen zu lassen.
    »Ist gut, machen Sie nur … Ich nehme eine Droschke.«
    Doch auf dem Bürgersteig überraschte ihn der scharfe Wind, der draußen blies: eine plötzliche Wiederkehr des Winters in diesem gestern noch so milden Mai. Es regnete zwar nicht, aber dicke gelbe Wolken zogen am Horizont auf. Und er nahm keine Droschke, um sich beim Laufen zu erwärmen. Zunächst wollte er zu Fuß zu Mazaud gehen, dem Wechselmakler in der Rue de la Banque, denn er hatte die Absicht, ihn über Daigremont auszuholen, den wohlbekannten Spekulanten, das erfolgreiche Mitglied aller Konsortien. Allein in der Rue Vivienne prasselte von dem mit bleifarbenen Wolken bezogenen Himmel ein solcher Regen- und Hagelschauer nieder, daß er sich in einen Torweg flüchtete.
    Dort stand er seit einer Minute und sah den Platzregen niedergehen, als ein helles Geläut von Goldstücken das Rauschen des Regens übertönte und ihn die Ohren spitzen ließ. Es schien aus dem Erdinnern zu kommen, anhaltend, leise und melodisch wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Er wandte den Kopf, hielt Ausschau und merkte, daß er sich unter dem Torbogen des Hauses Kolb befand, jenes Bankiers Kolb, der sich vor

Weitere Kostenlose Bücher