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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Abend.
    »Ja, mein Lieber, ich habe schon gedacht, daß mich Germaine rausschmeißen würde, weil Jacoby gekommen ist. Aber sie hat den Dreh gefunden, ihn vor die Tür zu setzen. Ach, ich weiß gar nicht, wie sie das fertiggebracht hat! Und ich bin dageblieben.«
    Beide erstickten fast vor Lachen. Es handelte sich um Germaine Cœur, ein prächtiges Mädchen von fünfundzwanzig Jahren, mit vollem Busen, nur ein wenig träge und gleichgültig. Sie wurde in diesem Monat von einem Kollegen Mazauds, dem Juden Jacoby, ausgehalten. Sie hatte es immer mit Leuten von der Börse, und immer nur monatsweise, was sehr bequem ist für vielbeschäftigte Männer, die den Kopf mit Zahlen voll haben und die Liebe wie alles andere bezahlen, ohne Zeit für eine echte Leidenschaft zu finden. Eine einzige Sorge beunruhigte sie in ihrer kleinen Wohnung in der Rue de la Michodière, die Sorge, Begegnungen zwischen den Herren zu vermeiden, die sich möglicherweise kannten.
    »Sagen Sie mal«, forschte Flory, »ich dachte, Sie halten es mit der hübschen Papierwarenhändlerin?«
    Aber bei dieser Anspielung auf Frau Conin wurde Gustave ernst. Frau Conin gebührte Respekt: sie war eine anständige Frau. Und wenn sie einen zu erhören geruhte, so gab es doch kein Beispiel dafür, daß sich ein Mann geschwätzig erwiesen hätte, so gut Freund blieb man mit ihr. Deshalb stellte Gustave, der nicht antworten wollte, eine Gegenfrage.
    »Und was ist denn mit Chuchu, haben Sie sie zu Mabille58 geführt?«
    »Ach, i wo, das ist zu teuer! Wir sind wieder nach Hause gegangen und haben uns einen Tee gemacht.«
    Hinter den jungen Leuten stehend, hatte Saccard diese Frauennamen gehört, die sie schnell einander zuflüsterten. Er lächelte und wandte sich an Flory.
    »Haben Sie nicht Herrn Mazaud gesehen?«
    »Doch, mein Herr, er hat mir vorhin einen Auftrag erteilt und ist dann wieder in seine Wohnung hinuntergegangen … Ich glaube, sein kleiner Junge ist krank, man hat ihm gemeldet, daß der Doktor da wäre … Sie müßten bei ihm klingeln, denn vielleicht geht er weg, ohne noch einmal heraufzukommen.«
    Saccard dankte und lief eilends eine Treppe tiefer. Mazaud war einer der jüngsten Wechselmakler; vom Schicksal verwöhnt, hatte er das Glück gehabt, beim Tode seines Onkels Inhaber eines der am besten gehenden Maklerbüros von Paris zu werden, in einem Alter, in dem man sonst noch das Geschäft erlernt. Klein von Gestalt, besaß er ein angenehmes Äußeres, trug einen kleinen braunen Schnurrbart und hatte durchdringende schwarze Augen; er zeigte große Aktivität und auch einen sehr wachen Verstand. In der Corbeille rühmte man schon seine geistige und körperliche Regsamkeit, die in diesem Beruf so notwendig war und die ihn im Verein mit einem guten Gespür und einer ausgeprägten Intuition in die erste Reihe bringen würde. Außerdem hatte er eine durchdringende Stimme, bekam aus erster Hand Informationen über Auslandsbörsen, unterhielt Beziehungen zu allen großen Bankiers und hatte schließlich, wie erzählt wurde, einen entfernten Cousin bei der Havas- Agentur59. Seine Frau, die er aus Liebe geheiratet, hatte zwölfhunderttausend Francs Mitgift in die Ehe eingebracht; sie war eine reizende junge Frau, mit der er schon zwei Kinder hatte: ein Mädchen von drei Jahren und einen Jungen von achtzehn Monaten.
    Gerade geleitete er den Doktor, der ihn lachend beruhigte, auf den Treppenabsatz hinaus.
    »Treten Sie doch ein«, sagte er zu Saccard. »Wahrhaftig, bei diesen kleinen Wesen macht man sich immer gleich Gedanken und hält sie beim geringsten Wehwehchen für verloren.«
    Damit führte er ihn in den Salon, wo seine Frau das Baby noch auf dem Schoß hatte, während das Töchterchen glücklich war, die Mutter fröhlich zu sehen, und sich hochreckte, um ihr einen Kuß zu geben. Alle drei waren blond, von einer milchigen Frische, und die junge Mutter sah ebenso zart und unschuldig aus wie die Kinder. Mazaud drückte ihr einen Kuß aufs Haar.
    »Siehst du nun, daß wir uns nur verrückt gemacht haben?«
    »Ach, das tut nichts, mein Lieber, ich bin so froh, daß er uns beruhigt hat!«
    Vor diesem großen Glück war Saccard stehengeblieben und grüßte. Das verschwenderisch eingerichtete Zimmer duftete nach dem glücklichen Leben dieser Familie, die noch nichts entzweit hatte: in den vier Jahren, die er verheiratet war, hatte Mazaud höchstens mal eine kurze Liebelei mit einer Sängerin von der Opéra Comique gehabt. Er blieb ein treuer Gatte, wie er auch

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