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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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allem mit Arbitragen in Gold befaßte. Er kaufte das Münzgeld in den Staaten auf, wo es niedrig im Kurs stand, schmolz es dann ein und verkaufte die Barren in den Ländern, in denen Gold einen hohen Kurswert hatte; und an den Schmelztagen stieg aus dem Keller von früh bis spät das kristallene Geräusch der Goldstücke empor, die scheffelweise aus Kisten in den Schmelztiegel geworfen wurden. Das ganze Jahr über klingen den Passanten auf dem Bürgersteig die Ohren davon. Jetzt lächelte Saccard befriedigt zu dieser Musik, die gleichsam die unterirdische Stimme dieses Börsenviertels war. Er sah darin ein glückliches Vorzeichen.
    Es regnete nicht mehr, er überquerte den Platz und war gleich bei Mazaud. Ausnahmsweise hatte der junge Wechselmakler seine Privatwohnung im ersten Stockwerk desselben Hauses, in dem auch die Räume seines Maklerbüros lagen, die das ganze zweite Stockwerk einnahmen. Er hatte einfach die Wohnung seines Onkels übernommen, als er sich bei dessen Tod mit den Miterben über die Auszahlung für das Büro verständigte.
    Es schlug zehn Uhr, und Saccard ging gleich in die Geschäftsräume hinauf, vor deren Eingang er Gustave Sédlille begegnete.
    »Ist Herr Mazaud da?«
    »Ich weiß nicht, mein Herr, ich bin gerade erst gekommen.«
    Der junge Mann lächelte. Er erschien immer mit Verspätung und nahm seine Anstellung als unbezahlter Volontär nicht ernst; seinem Vater zuliebe, dem Seidenfabrikanten in der Rue des Jeûneurs, hatte er sich darein gefügt, hier ein oder zwei Jahre zuzubringen.
    Saccard durchquerte den Kassenraum, wo ihn der Bargeldkassierer und der Aktienverwalter grüßten; dann betrat er das Zimmer der beiden Prokuristen, wo er nur Berthier antraf, denjenigen von beiden, dem der Kundenverkehr oblag und der den Chef zur Börse begleitete.
    »Ist Herr Mazaud da?«
    »Ich denke doch, ich komme gerade aus seinem Arbeitszimmer … Halt, nein! Dort ist er nicht mehr, sondern in der Kassaabteilung.«
    Berthier hatte eine Tür in seiner Nähe aufgestoßen und ließ den Blick durch ein ziemlich großes Zimmer schweifen, in dem unter Aufsicht des Bürochefs fünf Angestellte arbeiteten.
    »Nein, das ist ja sonderbar! Sehen Sie doch selbst mal in der Liquidation nach, da nebenan.«
    Saccard betrat das Liquidationsbüro. Dort sah der Liquidator, der wichtigste Mann des Maklerbüros, dem sieben Angestellte zur Seite standen, das Handbuch durch, das ihm der Makler jeden Tag nach der Börse aushändigte, und überschrieb dann die nach erhaltener Order getätigten Geschäfte auf die Kunden, wobei er die Auftragszettel zu Hilfe nahm, die der Namen wegen aufgehoben wurden; im Handbuch stehen nämlich keine Namen, es enthält nur den kurzen Hinweis über Kauf oder Verkauf: das und das Papier, die und die Stückzahl zu dem und dem Kurs von dem und dem Makler.
    »Haben Sie Herrn Mazaud gesehen?« fragte Saccard.
    Aber man antwortete ihm nicht einmal. Da der Liquidator hinausgegangen war, lasen drei Angestellte ihre Zeitung, zwei andere schauten in die Luft, während sich der kleine Flory lebhaft für den hereinkommenden Gustave Sédille interessierte. Flory, der am Morgen für gewöhnlich Schreibereien erledigte und Zahlungsverpflichtungen barattierte und am Nachmittag in der Börse die Telegramme aufzugeben hatte, war in Saintes als Sohn eines auf der Registratur beschäftigten Vaters geboren und zuerst Schreiber bei einem Bankier in Bordeaux gewesen; gegen Ende des vergangenen Herbstes war er in Paris bei Mazaud hereingeschneit, wo ihm keine andere Aussicht blühte, als vielleicht in zehn Jahren sein Gehalt verdoppeln zu können. Bis jetzt hatte er sich gut geführt, war pünktlich und gewissenhaft. Allein seit einem Monat, seit Gustave im Maklerbüro war, kam er aus dem Gleichmaß und wurde mitgerissen von seinem neuen Kollegen; dieser war sehr elegant, sehr gewandt, verfügte über genügend Geld und hatte ihm Damenbekanntschaften vermittelt. In Florys bärtigem Gesicht vereinigte sich eine lüsterne Nase mit einem reizvollen Mund und zärtlichen Augen. Er war mit von der Partie bei den kleinen, nicht allzu teuren Vergnügungsfahrten mit Fräulein Chuchu, einer Statistin vom Théâtre des Variétés56, einer mageren Hure des Pariser Pflasters, der durchgebrannten Tochter einer Concierge57 vom Montmartre, die drollig aussah mit ihrem Gesicht wie aus Pappmaché, in dem wunderbare große braune Augen leuchteten.
    Noch bevor Gustave den Hut abgenommen hatte, erzählte er Flory von seinem gestrigen

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