Das Geld - 18
bleiben kann54. Für jenen Tag müssen wir bereit sein.«
Saccard hörte ihm offenen Mundes zu, wie er diese Dinge arglos mit dem tiefen Glauben eines Katholiken vorbrachte. Er selbst scheute sich nicht vor überspannten Einfällen, aber nie wäre er so weit gegangen. Dieser Mann der Wissenschaft, der nach außen hin so kühl wirkte, verblüffte ihn. Er rief:
»Das ist ja verrückt! Die Pforte55 wird Jerusalem nicht hergeben.«
»Oh, warum nicht?« versetzte Hamelin friedlich. »Sie braucht soviel Geld! Mit Jerusalem hat sie Ärger, so wird sie es billig los. Oft weiß sie nicht, wie sie sich zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften, die sich den Besitz der heiligen Stätten streitig machen, verhalten soll … Übrigens fände der Papst in Syrien echte Unterstützung bei den Maroniten, denn wie Sie wissen, hat er in Rom ein Kollegium für ihre Priester eingerichtet … Mit einem Wort, ich habe mir alles gut überlegt, alles vorausgesehen, und eine neue Ära, die triumphale Ära des Katholizismus, wird anbrechen. Vielleicht wird man einwenden, das hieße zu weit gehen, der Papst sei dann gleichsam abgeschnitten von Europa und an seinen Angelegenheiten nicht mehr interessiert. Aber in welchem Glanz wird er erstrahlen, welche Autorität wird er genießen, wenn er an den heiligen Stätten thront und im Namen Christi vom Heiligen Land aus spricht, wo Christus gepredigt hat! Dort ist sein Erbe, dort muß sein Königreich sein. Und seien Sie beruhigt, wir werden dieses Königreich mächtig und fest begründen, wir werden es vor politischen Wirren schützen, indem wir sein Budget aus den Einnahmen des Landes und mit Hilfe einer großen Bank finanzieren, um deren Aktien sich die Katholiken in der ganzen Welt reißen werden.«
Saccard, der zu lächeln angefangen hatte, war von den Ausmaßen des Vorhabens schon verführt, wenn auch noch nicht ganz überzeugt, aber er konnte sich nicht versagen, dieser Bank mit einem Freudenruf über seinen glücklichen Einfall schon einen Namen zu geben.
»Die Bank zum Heiligen Grab, was? Prächtig! Das wird ein Geschäft!«
Er begegnete dem vernünftigen Blick Frau Carolines, die ebenfalls lächelte, aber skeptisch, sogar ein wenig verärgert, und er schämte sich seiner Begeisterung.
»Trotzdem werden wir, mein lieber Hamelin, gut daran tun, diese Krönung des Gebäudes, wie Sie sagen, geheimzuhalten. Man würde sich über uns lustig machen. Und dann ist unser Programm schon mächtig überlastet, es ist angebracht, seine letzten Konsequenzen, das ruhmreiche Ende, allein den Eingeweihten vorzubehalten.«
»Zweifellos, das ist immer meine Absicht gewesen«, erklärte der Ingenieur. »Dies wird das Mysterium sein.«
Und auf dieses Wort hin wurde an jenem Tag endgültig beschlossen, die Mappe auszubeuten, die ganze lange Reihe von Vorhaben in Angriff zu nehmen. Man wollte damit beginnen, ein bescheidenes Kreditinstitut zu schaffen, um die ersten Geschäfte zu tätigen; wenn dann der Erfolg half, konnte man sich allmählich zum Herrn des Marktes aufschwingen und die Welt erobern.
Als Saccard am nächsten Tag zur Fürstin dʼOrviedo hinaufging, um eine Weisung für das »Werk der Arbeit« entgegenzunehmen, kam ihm die Erinnerung an den Traum wieder, mit der er einen Augenblick lang geliebäugelt hatte, nämlich der Prinzgemahl dieser Königin des Almosens, der schlichte Verteiler und Verwalter des Vermögens der Armen zu werden. Und er lächelte, denn er fand das jetzt ein wenig läppisch. Er war dazu geschaffen, Leben zu zeugen, und nicht, die Wunden zu verbinden, die das Leben geschlagen hat. Endlich sollte er wieder an seinem Platz stehen, mitten in der Schlacht der Interessen, und am Wettlauf um das Glück teilnehmen, der von Jahrhundert zu Jahrhundert der Marsch der Menschheit zu größerer Freude und zu mehr Licht gewesen ist.
Am selben Tag traf er Frau Caroline allein im Zeichenraum an. Sie stand an einem der Fenster, wo das Erscheinen der Gräfin Beauvilliers und ihrer Tochter im Nachbargarten zu ungewohnter Stunde sie festhielt Die beiden Frauen lasen mit dem Ausdruck großer Traurigkeit einen Brief, zweifellos ein Brief des Sohnes Ferdinand, dessen Lage in Rom nicht gerade glänzend sein mochte.
»Schauen Sie«, sagte Frau Caroline, als sie Saccard gewahrte. »Noch ein neuer Schmerz für diese Unglücklichen. Die Bettlerinnen auf der Straße tun mir weniger leid.«
»Ach was!« rief er fröhlich aus. »Sie müssen sie bitten, mich zu besuchen. Wir werden auch sie
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