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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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für ihre müden Füße. Allmählich hatten die Soldaten ihre Sandalen ausgetragen; viele gingen barfuß, und so waren alle dankbar für diese Annehmlichkeit. Der große Wald aber bot eine Schwierigkeit, die darin bestand, daß es hier viele Pfade gab, und wenn Charlie die Spuren auf der niedergetretenen Erde betrachtete, sagte er: »Das sind die Füße von Elefanten, die hier Bäume ausgerissen haben. Wir müssen achtgeben, denn wenn wir uns auf einem solchen Wechsel verirren, kann es Tage dauern, bis wir hinausfinden.«
    So beobachteten sie ihre Kompasse scharf, und es gelang ihnen, das Ende des Waldes zu erreichen. Da die Nacht nahe war, erteilte Sheng den Befehl, den langen Schlaf hier zu tun. Sie legten sich hin, wo sie konnten, allein und zu zweit in eine Decke gewickelt; nur Charlie ließ sich nicht nieder.
    »Schlaft Ihr nie?« fragte Sheng.
    »Ich schlafe auf meinen Füßen«, erwiderte Charlie mit seinem breiten Grinsen. Als alles ruhig war und er gegessen und getrunken hatte, sagte er zu Sheng: »Bevor Ihr wach seid, werde ich zurück sein, um Euch mitzuteilen, wo die Gegner zusammenrücken und wo die Weißen sich befinden.«
    Und er ging mit seinen langen, leisen Schritten durch den Wald davon; nur den schweigsamen Burschen nahm er mit.
    Sheng würde gesagt haben, daß er nicht schlief, so heftig schmerzte ihn der Arm; und doch schlief er, denn drei Stunden später weckte Charlie ihn aus dem Schlummer. Charlie berührte Shengs verwundeten Arm nur ganz leicht, aber Sheng sprang mit einem Schrei auf die Füße und stand in der stickigen Dunkelheit einen Augenblick vor Pein zitternd da.
    »Großer Bruder, was habt Ihr?« flüsterte Charlie verwundert.
    Jetzt war Sheng wirklich wach. Er befeuchtete seine trockenen Lippen. Sein ganzer Körper war knochentrocken, und seine Haut fühlte sich gespannt und brennend an.
    »Nichts«, entgegnete er kurz. »Ich träumte etwas Unangenehmes.«
    »Nun, dann schiebt es beiseite«, meinte Charlie. »Denn ich habe die Weißen entdeckt. Sie sitzen tatsächlich in der Klemme. Die Teufel sind zwischen ihnen und dem Fluß und überall ringsum. Im Süden und Osten sind sie zu stark; die einzige Hoffnung bietet sich im Westen und bei der Brücke. Dort müßt Ihr angreifen. Da bilden die Gegner nur eine dünne Front, nicht länger als ein Kilometer längs des Flusses. Wenn Ihr Euch durch diesen Kilometer zwängt, könnt Ihr meiner Meinung nach die Weißen befreien, und sie werden sich zur Brücke durchschlagen. Doch muß das rasch geschehen, damit die Teufel nicht die Brücke zerstören können, denn dann säßen wir alle in der Falle. Der Fluß schwillt von neuen Regenfällen an, und es sind keine Boote vorhanden.«
    »Keine Boote?« gab Sheng zurück. »Es ist seltsam, einen Fluß ohne Boote zu sehen.«
    Charlie wischte sich mit dem Saum seines Rockes den Schweiß vom Gesicht. »Die Weißen laufen von ihren Führern fort«, berichtete er. »Aber es sind nicht nur Weiße – einige stammen aus Indien. Doch wissen alle, daß sie gefangen sind, und wer kann sie tadeln? Jedesmal, wenn man einen Burmesen mit einem Gewehr um ein Boot besticht, nun, dann ist das Boot bald fort, und es treibt mit der Strömung den Fluß hinunter, und die Männer springen auf der anderen Seite hinaus.«
    »Geben sie ihre guten Gewehre den burmanischen Verrätern?« schrie Sheng. Für einen Augenblick wurde sein Kopf vor lauter Zorn klar.
    »Was für ein Bestechungsmittel bleibt ihnen sonst?« versetzte Charlie. »Sie sind Menschen wie andere auch, weiße und braune Menschen.«
    »Aber ein gutes Gewehr!« stöhnte Sheng. »Wo wir keine guten Gewehre haben!«
    Sein fiebriger Kopf nahm diese Worte auf, und sein erhitztes Hirn ließ sie fortwährend ablaufen.
    »Ein gutes Gewehr …«, murmelte er immer wieder, »ein gutes Gewehr …«
    »Seid Ihr betrunken?« rief Charlie.
    Shengs Kopf klärte sich abermals für einen kurzen Augenblick.
    »Nein«, entgegnete er.
    Bei sich selbst dachte er, daß er trunken vor Schmerz sei, aber konnte er des Schmerzes jetzt achten? Er lachte laut heraus. »Ich bin nur betrunken von dem, was heute vor uns liegt«, sagte er zu Charlie. Er ging eilig zu seinen Leuten zurück, brüllte sie an und befahl ihnen, ihm auf der Stelle zu folgen.
    Er machte keine Essenspause, und sie folgten ihm, ohne zu essen, erschrocken durch den Ton seiner Stimme. Er lief vor ihnen her, und sie liefen ebenfalls. Er hatte das Gefühl, als wäre sein ganzer Körper von Kraft und Feuer erfüllt; in

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