Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
Vom Netzwerk:
Blüten von so durchdringendem Wohlgeruch, daß die ganze Luft um den Wipfel von Insekten und Bienen wimmelte. Unter diesem Baum saß Sheng, und der Bursche hockte etwas entfernt in ehrfurchtsvollem Schweigen. Sheng dachte bei sich, daß er seinem Begleiter aus Höflichkeit ein paar Fragen stellen müsse, aber er brachte es nicht über sich. Das Fieber machte ihn schläfrig; dazu kamen jetzt die Nachmittagshitze und die schwere, süße Luft des blühenden Baumes. Nachdem er ein wenig gegessen hatte – weniger, als er seinem Hunger nach gedacht hätte –, legte er sich hin und schlief ein.
    Er erwachte dadurch, daß der klopfende Schmerz in seinem Arm erneut einsetzte. Er schaute um sich, ohne im ersten Augenblick zu wissen, wo er sich befand; aber sein Körper war schwer, als flösse heißes Blei in seinen Adern. Er richtete sich mühsam auf, und da sah er den jungen Burschen sitzen.
    »Habe ich lange geschlafen?« erkundigte sich Sheng.
    »Nicht sehr lange«, erwiderte der Bursche, »aber ich begann mich schon zu fragen, ob es nicht meine Pflicht sei, Euch zu wecken.«
    Sheng antwortete nicht, sondern erhob sich aus dem Gras, rieb sich Gesicht und Schädel mit dem gesunden Arm und nahm dann den Marsch wieder auf, gefolgt von dem Burschen.
    Von diesem Tag ist nicht mehr zu erzählen, als daß sie bei Dunkelheit zu dem See gelangten, der jetzt zu einem Teich eingetrocknet war. Sie umgingen das Wasser auf dem Seeboden, der aus krausen, zusammengebackenen Lehmstücken bestand. Auf der anderen Seite fanden sie ihre Kameraden warten, nicht zusammen, so daß man sah, daß sie ein Heer bildeten, sondern da hundert und dort hundert unter den niedrigen Bäumen. Zu seiner Freude entdeckte Sheng unter ihnen Charlie; und Charlie trat zu ihm und reichte ihm etwas zu essen. Auf ein grünes Lotusblatt hatte er mit einem Ei vermischten heißen Reis gelegt; in der Nähe stand ein Teetopf mit heißem Tee, und Sheng sank nieder, tief aufseufzend, daß alles soweit gut war. Als er den Teetopf gewahrte, befiel ihn ein ungeheurer Durst; er nahm ihn mit der rechten Hand auf, setzte die Tülle an den Mund und trank, solange sein Atem es erlaubte. Charlie stand daneben, schaute zu und wartete, bis Sheng seinen Durst gestillt hatte.
    Als Sheng endlich den Teetopf niedersetzte, sagte Charlie ruhig: »Jetzt kann ich Euch die Neuigkeiten mitteilen. Ihr müßt einen Gewaltmarsch machen, und es geht nicht an, heute nacht zu ruhen. Die Weißen werden alle tot sein, wenn wir sie nicht in einem Tag und einer Nacht erreichen. Dies weiß ich, und ich kann es beschwören. Laßt uns essen und dann weiterziehen.«
    Sheng hörte dies, aber während er lauschte, begann sein Arm wieder zu klopfen, und er stieß als Antwort ein Knurren aus. Doch ließ er den Befehl ergehen, daß nur gegessen und nicht geschlafen werden durfte. Nachdem er diese Anordnung getroffen hatte, begab er sich allein zum See und tauchte den Kopf in das schlammige Wasser, um sich abzukühlen; danach netzte er seine Hände und seine Uniform. Aber so heftig wütete das Fieber in ihm, daß er nach einer Stunde, als der Marsch weiterging, schon wieder trocken und heiß war.
    Die ganze Nacht marschierte die Truppe; nur wurde alle zwei Stunden eine kurze Ruhepause eingeschaltet. Früher war Sheng schon oftmals Tag und Nacht gewandert, und er wußte recht gut, daß man das Tempo nur einhalten konnte, wenn man zu gegebener Zeit ausruhte, sowohl bei Tag als auch in der Nacht. Sie marschierten vereint durch die Dunkelheit, doch als der Morgen graute, zerstreuten sie sich wieder, nachdem verabredet worden war, bei welchem Dorf sie sich treffen sollten. Dort wollten sie in den Feldern drei Stunden schlafen, bevor sie zum Angriff schritten.
    Alles ging recht gut, nur daß Shengs Wunde gegen Mittag des folgenden Tages unerträglich zu schmerzen begann. Ob die Regenschauer, die ab und zu niedergingen, die Salbe weggespült oder ob sein beständiger Schweiß sie fortgewaschen hatte, wußte Sheng nicht; aber der frühere klopfende Schmerz setzte wieder ein, ihn schwindelte, und er wünschte, er könnte sich nach einem Mann auf die Suche machen, der ihm die schwarze Salbe geben würde; doch wie durfte er zögern? Es blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzugehen, und das tat er denn auch.
    Gleichwohl brachte auch dieser Tag etwas Gutes. Der niedrige heiße Urwald, durch den sie schritten, wurde von großen Teakbäumen abgelöst, und die Blätter auf dem Boden bildeten einen sehr bequemen Teppich

Weitere Kostenlose Bücher