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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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höflich zu Ihnen, ganz gleich, ob Sie höflich sind oder nicht. Ich bin eine neue Art von ›Chink‹ – ich verhalte mich nicht höflich einem Menschen gegenüber, nur weil er ein Weißer ist. Sie können mich einen Kommunisten nennen.«
    »Ja so«, murmelte Dougall. Das Blut stieg ihm in das unrasierte, gutmütige Gesicht.
    »Ich weiß, daß Sie gar nichts beabsichtigen«, sagte Charlie. »Gerade das bedaure ich.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht«, entgegnete Dougall steif. Das Rot wich aus seinen Wangen, und seine blauen Augen begannen leicht aufzuflammen.
    »Das weiß ich.« Charlies Stimme hatte sich nicht verändert und nicht erhoben. Die gefällige Gleichmäßigkeit war wie ruhige, grüne Felder. »Und sicher finden Sie, daß es nicht Ihre Schuld ist, wenn Sie nichts verstehen.«
    »Wirklich …«
    Der junge Engländer biß sich auf die Lippe, die von der Hitze aufgesprungen war.
    »Ihr seid so redlich«, sagte Charlie. »Ihr seid so wundervoll redlich alle miteinander!« Er lachte plötzlich und rieb sich die Hände über den schwarzen Stoppelhaaren. »O Gott, befreie uns Asiaten von den redlichen Weißen!« betete er ebenso unvermittelt, wie er gelacht hatte; und da er fühlte, daß etwas in seinem Innern zerbrach, wandte er sich ab und stapfte in den grünen Urwald.
    Als die großen Farne und das Unterholz ihn völlig verbargen, säuberte er einen kleinen Fleck bei einem umgefallenen Baum, wobei er sorgsam nach Schlangen Ausschau hielt, und setzte sich dann nieder. Wo waren die übrigen? Als er Sheng umsinken sah, hatte er ihn unter den Armen gepackt, und als er dahinrannte, war eine geschmeidige, dunkle Gestalt aus dem Gebüsch herbeigesprungen und hatte sich mit ihm in die Last geteilt. Es war der Inder. Wie aber konnte er den Mann fragen, auf welche Weise er dorthin gekommen war? Sie waren vom Flußufer weggestürzt und im Wald untergetaucht. Während zwei Stunden hatten sie keinen Augenblick gerastet. Shengs schlaffer Körper hatte zwischen ihnen gehangen. Charlie fragte sich, ob Sheng wohl tot sei, doch wagte er nicht, einzuhalten und nachzusehen. Der Inder erwies sich als unermüdlich und schweigsam. Er wußte jedoch recht gut, was hinter ihnen geschah. Zwischen dem Fluß und den Gegnern gefangen, wurden Shengs armselig bewaffnete Leute ganz einfach in Stücke geschlagen und ins Wasser geworfen. Wenn einer von ihnen entronnen war, so nur durch den gleichen Glücksfall, den Charlie sich zunutze gemacht hatte. Schließlich setzten sie Sheng ab, und Charlie erkannte auf den ersten Blick, daß Sheng sterben würde, wenn keine Hilfe kam. Wo aber konnte es in diesem fremden Land eine Hilfe geben? Gleichwohl bat er den Inder, Wache zu halten und die Fliegen von Sheng abzuwehren, schlich zum Rand des Urwalds, wozu er einen halben Tag brauchte, und blickte in die brennende Gegend hinaus. Feuer loderten am Horizont wie Vulkane, und er wußte, was das bedeutete. Die Burmesen, toll geworden, zündeten ihre eigenen Städte und Dörfer an. Warum, das vermochte er sich nicht vorzustellen, aber er hatte sie dies schon einmal tun sehen, als ob das Chaos sie wahnsinnig machte. Eine Weile starrte er hinaus; dann drehte er sich um und machte sich auf den Rückweg.
    Unterwegs traf er den Engländer, der sich ebenfalls im Urwald verborgen hielt. Er trat fast auf den jungen Mann, und eine Sekunde lang sah er nichts außer einem Gewehrlauf. In dieser einen Sekunde sprang er auf das Gewehr und rettete so sein Leben, denn Dougall hatte ihn für einen Japaner gehalten. Sie kugelten übereinander, und so, Gesicht an Gesicht, begann Charlie Li zu fluchen und schwor keuchend, daß er Chinese sei. Dougall ließ ihn daraufhin augenblicklich los.
    »Großer Gott!« stieß er hervor. »Ich hätte Sie fast getötet. Ich dachte, Sie seien ein Japs.«
    Dann gingen sie miteinander weiter, ohne viel zu reden, und als sie Sheng noch immer am Leben fanden, griff Dougall schweigend in seine Tasche und zog ein versiegeltes Päckchen hervor, das er öffnete. Der Inhalt bestand aus einigen Medikamenten, von denen er ein paar flache, weiße Pillen auswählte. »Die sollte er nehmen«, bemerkte er.
    Der Inder hatte während Charlies Abwesenheit ein feuchtes Loch entdeckt, hatte es aufgescharrt, worauf Wasser hineingesickert war, dunkles Dschungelwasser. Dieses Wasser schöpfte Charlie mit den Händen, träufelte es Sheng in den Mund, und Sheng schluckte gleichzeitig das Medikament.
    Das war gestern vormittag gewesen. Dougall hatte sich

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