Das Geloebnis
bauen«, fuhr Charlie fort. »Die zogen ihre Werkzeuge in Betracht und erwiderten: ›Jahre.‹ Der Präsident aber sagte: ›Es darf nur Monate dauern. Wir wollen unsere eigenen Werkzeuge benutzen.‹ So waren es nur Monate.« Seine Augen flogen über die hurtig ansteigende Straße. »Ich bin stolz auf sie«, sagte er. Als Mayli ihn anblickte, sah sie, daß seine Augen sich mit Tränen füllten, und so schwieg sie.
Im Laufe des Vormittags gelangten sie zu einem großen Loch in der Straße, das am vergangenen Tag von einer feindlichen Bombe verursacht worden war, und dort gewahrten sie solche Männer und Frauen, welche die Straße gebaut hatten. Jetzt setzten sie die zerstörte Stelle instand, und bald konnten die Wagen wieder darüberfahren. Wer waren diese Menschen? Als der Wagen anhielt, stieg Mayli aus, um sich ein wenig zu strecken und ihren Frauen mitzuteilen, daß auch sie absteigen könnten, wenn sie wollten, da es noch eine Weile dauern würde, bis die Fahrt weiterging. Sie sah die zerlumpten, blaugekleideten Leute eifrig am Werk und schritt zu einer Frau hinüber, die am Boden saß und mit einem harten, größeren Stein andere Steine in Stücke schlug. Die Frau war noch jung, aber der Staub hatte ihr Gesicht und ihre Haare grau gemacht; er hing in ihren Brauen und lag dick auf ihren Schultern. Neben ihr schlief in einem alten Korb unter einem zerrissenen Federbett ein kleines Kind. Als Mayli sich näherte, blickte die Frau scheu auf, unsicher, ob dies eine Ausländerin war oder nicht. Aber Mayli sprach sie höflich an. »Habt Ihr gegessen?« fragte sie. Das war der Gruß des Nordens, aber die Frau beantwortete ihn wie eine Frage.
»Ich habe die ganze Nacht gearbeitet«, sagte sie. »Und ich esse, während ich arbeite.«
Als sie nun erkannte, daß Mayli ihre eigene Sprache redete, breitete sich ein helles Lächeln auf ihrem verstaubten Gesicht aus, und ihre Zähne waren sehr weiß und regelmäßig.
»Und das Kind?« erkundigte sich Mayli erstaunt.
»Der Kleine schläft recht gut«, lachte die Frau.
»Aber Eure Familie?« forschte Mayli.
»Sie besteht aus meinem Mann und mir und den beiden älteren Kindern, und wir arbeiten alle hier an der Großen Straße«, versetzte die Frau voll Stolz. »Wir haben auch beim Bau mitgeholfen.«
»So wie jetzt?«
»Ich haue Steine, und mein Mann trägt Erde«, erwiderte die Frau. »Das Mädchen haut dort drüben Steine, und der Knabe trägt, was wir fertig haben.« Mit dem Kinn wies sie auf ein Mädchen, das ein paar Meter entfernt am Boden hockte und zu arbeiten aufgehört hatte, um Mayli anzustarren.
»Welches ist Euer Mann?« fragte Mayli.
Die Frau bezeichnete einen Mann, der mit seiner Hacke an einer anderen Stelle tätig war. Er füllte Bambuskörbe, hob die Stange auf seine Schultern, trug die Körbe fort und leerte sie aus, wo die Erde fortgesprengt war.
»Wir wohnen nicht weit von hier«, erklärte die Frau und wies abermals mit dem Kinn die Richtung. »Wenn die Nachricht kommt, daß die Straße instand gesetzt werden muß, verschließen wir die Tür und begeben uns hierher. Mögen die Gegner ihre Löcher machen – wir können sie flicken.« Sie lachte, und wieder schimmerten die weißen Zähne in ihrem grauen, staubigen Gesicht. Dann fuhr sie fort, Steine zu hauen. Alle ringsum arbeiteten mit der nicht übereilten Geschwindigkeit, an die sie gewöhnt waren, und in weniger als einer Stunde war eine Brücke aus Erde und Steinen entstanden, schmal, aber fest.
»Das ist das Volk, zu dem ich gehöre«, sagte Charlie, als sie weiterfuhren.
»Waren Ihre Eltern wirklich wie die Leute hier?« erkundigte sich Mayli.
Seine dünnen Lippen wurden noch dünner. »Das Volk ist mein Vater und meine Mutter«, entgegnete er kurz. Das war alles, was sie jemals von seinen Ahnen erfahren sollte.
Dieser Tag war wie so viele, die ihm folgten. Wäre Mayli zaghaft oder furchtsam gewesen, so hätte sie oftmals Furcht haben können, denn die Straße führte jetzt in solchen Höhen dahin, daß es eher war, als flöge man und führe nicht über Stein und Erde. Mehrere der Frauen wurden seekrank; sie lehnten sich hinaus und übergaben sich heftig. Aber sie klagten nicht und ließen keinen Aufenthalt zu. Als die Straße einmal über den Gipfel eines hohen Berges zwischen noch höheren Graten führte, blickte Mayli zufällig zurück, und da sah sie, daß An-lans blasses Gesicht wie erstarrt vor Entsetzen war. Tatsächlich gab es Anlaß zum Fürchten, denn zu beiden Seiten der
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