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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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schmalen, unebenen Straße stürzten die Flanken steil ab. Sie rief zurück: »An-lan, An-lan, geht es noch?«
    Das Mädchen vermochte nicht zu antworten. Seine Lippen waren steif, und als es sie mit der Zunge befeuchten wollte, war die Zunge trocken. Es konnte nur mit dem Kopf nicken.
    »In Ordnung?« fragte Charlie.
    »An-lan ist kreideweiß vor Angst«, antwortete Mayli. »Aber hier können wir nicht anhalten.«
    »Ausgeschlossen«, stimmte Charlie zu, der seine Augen keine Sekunde von der Straße abwenden durfte.
    Es war wirklich eine gefährliche Stelle. In der Tiefe sah man die Trümmer der Lastwagen und Autos, die ausgerutscht und auf der einen oder anderen Seite hinuntergestürzt waren. Diese Trümmer waren von Menschen umgeben, die sie auseinandernahmen und die Metallteile in tragbare Bündel packten. Metall war kostbar, und sie gingen damit in eine Stadt, wo Metall ganz besonders gefragt war. Diese Stadt war seit Jahrhunderten für ihre Scherenindustrie berühmt, und auch heute, mitten im Krieg, setzten die Scherenmacher ihr Gewerbe fort.
    Hier gab es einen Mittagshalt, den Mayli und ihre Frauen benutzten, um sich diese berühmten Scheren einmal anzusehen. Sie wurden mit aller Sorgfalt gearbeitet und so fein ziseliert, daß sämtliche Frauen unbedingt eine Schere kaufen wollten, selbst wenn sie dafür auf ihre Mahlzeit verzichten mußten.
    Auch Mayli kaufte sich eine Schere. Sie fand ein spitzes glänzendes Scherchen, in das Schmetterlinge ziseliert waren, und obwohl Liu Ma ihr eine Schere mitgegeben hatte, konnte sie nicht widerstehen. Die Klingen waren messerscharf.
    »Wie scharf die Klingen sind«, sagte sie zu dem alten Mann, der ihr die Schere verkaufte. Er hatte einen kleinen abgelegenen Laden, der sich auf die Straße öffnete, und er führte nichts anderes als Scheren.
    »Es ist ausländischer Stahl«, erwiderte er. Er setzte seine messinggeränderte Brille auf und nahm die Schere in die Hand, um Mayli alles zu erläutern.
    »Aber woher bekommt Ihr denn solchen Stahl?« fragte sie.
    »Wie ungeduldig Frauen sind!« tadelte er und sah sie mißbilligend mit seinen kleinen, ernsten Augen an. »Ich wollte es Euch ja gerade erklären. Der Stahl ist von den Wagen, die von der Großen Straße abrutschen. Ihr müßt wissen, daß diese Wagen im Lande Mei hergestellt werden. Der Stahl wird dort mit vielen Metallen gemischt und ist sehr hart, härter als alles Eisen, das wir schmieden können. Ich wünschte, ich kennte das Geheimnis jener Stahlmacher. Deshalb verfertigen wir die besten Scheren, die wir jemals hergestellt haben, obwohl unsere Scheren schon seit Jahrhunderten berühmt sind.«
    »Ich war im Lande Mei – Amerika wird es genannt«, erzählte sie ihm lächelnd. »Und ich habe die großen Stahlöfen gesehen, wo das Metall gemischt wird.«
    Während er ihr mit offenem Mund und aufgerissenen Augen lauschte, berichtete sie ihm von den großen Stahlwerken, die sie beim Besuch einer Schulfreundin in Pittsburgh tatsächlich gesehen hatte.
    »Das war ein Anblick!« rief sie. »Die Schmelzöfen waren größer als ein Haus, und das Metall floß wie Wasser heraus, glühendheiß, aber welcher Art die Mischung war, kann ich Euch nicht sagen. Ich dachte nur daran, wie wundervoll und prächtig das aussah.«
    Er wickelte die Schere in weiches Papier, während er zuhörte, und dann schüttelte er den Kopf. »Diese Fremden …«, sagte er. »Sie wissen alles, was mit Metallen und Stahlsachen zusammenhängt, und sie können mit ihren Flugzeugen fliegen, als hätte jeder sein eigenes selber gemacht. Ich sehe sie manchmal über unseren Köpfen fliegen. Sie kommen von den Bergen, und ihrer Wolkenschiffe sind genug, um mit ihren fletschenden Zähnen jeden Teufel zu erschrecken. Wie der Feind schreit und flieht, wenn sie kommen! Wer sind die Menschen, die solche Maschinen-Ungeheuer lenken? Früher glaubte ich, sie müßten drei Meter groß und wie Adler beflügelt sein. Aber nein, ich sehe sie manchmal, denn nicht weit von hier gibt es ein Flugfeld für sie in der Stadt. Es sind noch junge Männer, fremdartig, aber lebhaft und lärmend wie alle andern jungen Männer auch. Sie kommen vom Himmel herunter und brüllen laut, weil sie hungrig sind.« Er lachte leise und nahm seine Brille ab. »Kinder«, schloß er milde, »Kinder, die mit Zauberei spielen!«
    Er sah mit seinem weißen Haar so weise aus, daß sie sich ganz demütig fühlte vor diesem alten Mann, der sein ganzes Leben lang nur Scheren hergestellt hatte; und sie

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