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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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neuerdings gegen den Feind eingegangen sind«, hatte der General, sehr aufgereckt dastehend, gesagt. »Unser Führer ist entschlossen, alle seine Kraft einzusetzen im Kampf gegen die Tyrannei in der Welt. Wir kämpfen an unserem Platz in einem Weltkrieg.«
    Diese Worte hatten die Männer nie vergessen. Sie wußten, daß sie vor den Ausländern, die ihre Verbündeten waren, für ihr Land und ihren Führer einstehen mußten. Der Stolz, mit dem jeder einzelne sich hielt, die Sorgfalt und der Mut, mit denen jeder seine Pflicht tat – das war ein Anblick, der Sheng geradezu schmerzlich ergriff.
    Denn obwohl der General seinen Soldaten gegenüber so deutlich gesprochen hatte, wußte Sheng doch recht gut, daß er im geheimen Zweifel hegte. Zu Sheng hatte der General im letzten Augenblick gesagt: »Ich wünschte, ich hätte den Glauben unseres Führers! Ich wünschte, ich wäre sicher, daß wir unsere eigenen Leute nicht betrügen!«
    Sheng hatte all diese Worte mit sich getragen, während er seine Soldaten durch Täler und Schluchten und über Bergpässe führte. Allabendlich sprach er zu den Leuten ernsthaft über die vor ihnen liegende Pflicht, mit ihren Verbündeten derart zu kämpfen, daß alle jene, die bisher verächtlich auf sie herabgesehen, erkennen konnten, wie tapfer und opferfreudig und welch wertvolle Hilfe sie waren. Wie oft sollte er sich an diese Abende erinnern! Bei Anbruch der Nacht machten sie halt, auf welchem einsamen Berghang sie sich auch befinden mochten, unter ihnen die Schlucht, die sich im Dunkel verlor, über ihnen der bestirnte Himmel, an dem vielleicht der Mond hell glänzte. Wenn sie Glück hatten, fanden sie einen Tempel oder ein kleines Dorf, das an den Felsen klebte. Jeden Abend scharten sich die Männer nach dem Nachtessen um ihn, und dann sprach er auf seine einfache, knappe Weise zu ihnen vom Tagesmarsch, sprach von dem, was gut gewesen, und von dem, was am nächsten Tag besser gemacht werden sollte. Er lauschte allen Fragen und Klagen, und zum Schluß sagte er täglich ungefähr dasselbe, etwa mit folgenden Worten:
    »Ihr sollt euch nicht als gewöhnliche Soldaten betrachten. Früher wurden Soldaten geringgeschätzt; sie galten als Glücksjäger, die ihren Mut zum Höchstpreis verkaufen. Wir aber sind von anderer Art. Hier bin ich, ein Bauernsohn … mein Vater war einst wohlhabend, und wir waren drei Brüder in seinem Haus, die stets reichlich Nahrung und Kleidung hatten und das üppige Flußland abernteten, das jetzt der Feind in Besitz genommen hat. Hier bin ich … ohne jegliches Eigentum heute; und ich kämpfte mich hierher durch, war erst Berg-Mann und dann Soldat, aber immer nur mit einer einzigen Hoffnung: so viele Feinde wie möglich zu töten. Ich bin nur euer Vorgesetzter geworden, weil das Glück mit mir war und mich hierher gebracht hat; ich bin nicht besser als ihr, dessen seid versichert. Wir alle sind Gleichberechtigte und Brüder in diesem Krieg, auserwählt, weil wir stark und jung sind und weil wir den Tod nicht fürchten. Wir wurden vom Allerhöchsten auserwählt, weil wir seine Besten sind. Er sendet uns aus, mit den Weißen zu kämpfen, damit wir ihnen zeigen, was unsere Besten können. Was auch geschehen mag, keiner darf an Rückzug oder ans eigene Leben denken.«
    »Das braucht Ihr uns nicht zu sagen«, murmelten die Männer. »Wohin Ihr uns führt, dahin folgen wir.«
    »Und wenn ich falle«, fuhr Sheng ernst fort, »muß jeder selber denken, wie er es gelehrt worden ist, und wie ein Führer handeln. Mehr, als ihr wißt, hängt von eurer Kampfart ab. Unsere Verbündeten müssen durch uns erkennen, was unser Volk ist, und uns unseren gebührenden Platz in der Welt einräumen.«
    Mit solch hehren Worten brachte er seinen Soldaten allmählich bei, daß sie tatsächlich keine gewöhnliche Armee waren, sondern eine Armee bildeten, welche eine Mission zu erfüllen hatte, so daß sie in den Augen ihrer Verbündeten würdig dastehen und am Kampf gegen den Feind vollen Anteil haben mußten. Wenn sie zufällig bei einem Tempel oder in einem Dorf haltmachten, kamen andere Menschen dazu und lauschten dieser Mahnrede. Priester standen schweigend in ihren grauen Gewändern, um zu hören, was er sprach; in den Dörfern lauschten die Bauern und ihre Söhne, und mehr als einmal folgten Sheng am nächsten Morgen junge Männer aus ihren Häusern, weil er mit seinen Worten ihre Herzen gerührt hatte. Sheng wehrte ihnen nicht. Er selber war einst ein solcher junger Mann gewesen,

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