Das Geloebnis
noch, daß Pansiao Shengs Schwester war, und gerade Pansiao hatte ihr zum erstenmal von Sheng erzählt und hatte, auf kindliche Weise, glühend gewünscht, Mayli möchte Shengs Weib werden.
»Weißt du, daß dein Bruder sich auf dem Weg nach Burma befindet?« fragte sie Pansiao.
Pansiao klatschte in die Hände und legte dann die Hände an die Wangen. »Meinst du meinen dritten Bruder?«
»Gewiß.«
Pansiao schmiegte sich an sie. »Du bist nicht …«
»Nein, ich bin nicht verheiratet«, sagte Mayli, die nicht verhindern konnte, daß ihr das Blut ins Gesicht stieg.
»Und er ist auch nicht verheiratet?« forschte Pansiao.
»Nein, er auch nicht.«
Mayli fühlte ihr Antlitz sehr heiß werden unter dem klaren Blick des jungen Mädchens, aber was konnte sie mehr sagen, und was konnte sie anderes tun, als das Gespräch ablenken?
»Wohin gehst du jetzt?« erkundigte sie sich.
»Darüber habe ich keinen Bescheid«, erwiderte das Mädchen.
»Möchtest du mit uns nach Westen ziehen?«
»Oh, ich würde gern mit dir gehen!« rief Pansiao.
»Dann will ich sehen, was ich tun kann«, sagte Mayli. Es würde schön sein, dieses Kind bei sich zu haben, das Shengs Schwester war. Sie streckte ihre Rechte aus und berührte Pansiaos Hand. »Geh jetzt zurück«, ordnete sie an, »und komm morgen früh mit deinen Sachen wieder. Ich werde noch heute abend mit meinen Vorgesetzten sprechen und sie bitten, dich mit uns … mit mir gehen zu lassen.«
»Oh, und wenn sie es nicht erlauben?« rief Pansiao.
Mayli lächelte. »Ich glaube, daß sie es erlauben werden.« Ihre Augen und ihre Stimme waren wie die eines Menschen, der es nicht gewöhnt ist, zurückgewiesen zu werden.
Pansiao sprang auf. »Ich gehe rasch meine Sachen packen«, sagte sie. Dann aber kniete sie vor Mayli nieder. »Laß mich schon heute abend zu dir kommen«, flehte sie.
Wer hätte solcher Anhänglichkeit widerstehen können? Mayli gewiß nicht.
»Also gut, komm heute abend«, entschied sie. »Es wird das beste sein, denn wir ziehen morgen früh weiter.«
9
Während all dieser Tage hatte Sheng mit seinen Leuten an der Grenze von Burma gewartet. Sie waren über den Gebirgswall gestiegen, wo es nachts kalt war und am Tage Hitze herrschte, auch wenn ihre Füße durch Schnee wateten. Tausendfünfhundert Kilometer und mehr waren sie marschiert, täglich fünfundvierzig Kilometer; jeder Soldat trug sein Gewehr und Bajonett, einen Regenhut aus Bambus, einen Helm, einen Nahrungsvorrat für drei Tage, ein Paar Ersatzschuhe, eine Feldflasche, einen Spaten, zwanzig Patronen und zwei Handgranaten. Mit ihnen marschierten Träger. Obwohl jeder Träger seine Last von achtzig Pfund Reis schleppte, hatte Sheng den Marsch weder beschleunigt noch verzögert, wußte er doch, daß seine Leute ihren besonderen Platz einnahmen in dem langen, beständigen Kraftstrom, der aus China kam. Dieser Platz war an der Spitze, und sie bildeten die Vorhut, aber es gab noch andere, die gen Norden und Süden strebten. Während des Marsches achtete er sorgsam auf den Weg, auf Land und Leute; vor allem merkte er sich, wo es viel und wo es wenig zu essen gab. War die Nahrung kärglich, so nicht etwa, weil die Bevölkerung sie ihnen vorenthielt, denn das Volk hieß sie überall willkommen und verabreichte ihnen, was es nur hatte.
Genau an dem Tag, den der General angesetzt hatte, nur sechs Stunden später als zur angegebenen Frist, langte Sheng mit seinen Mannen an der Grenze von Burma an. Seine Soldaten waren verschmutzt und müde, aber sie hatten früher schon oft gegen den Feind gekämpft, und jetzt brannten sie auf diese neue Schlacht, die ihrer Meinung nach die größte von allen sein würde. Kein Gewehr war unterwegs verlorengegangen oder auch nur vom Regen feucht geworden. Diese Gewehre waren neue Waffen, die sie auf Befehl des Allerhöchsten erhalten hatten, und jeder Mann empfand sein Gewehr als ein persönliches Geschenk; lag sein Kopf auch im Dreck, während er schlief – das Gewehr war sauber und sicher untergebracht. Auch hatte man über das Gebirge schwere Geschütze gezogen, die gutgeölt und gebrauchsfertig gehalten worden waren.
Sie verfügten noch über eine andere Kraft als die der Waffen. Am Tag des Aufbruchs hatte der General ihnen anvertraut – der Feind durfte das nicht erfahren –, daß sie nicht wie eine gewöhnliche Armee nach Burma geschickt würden.
»Ihr seid gewissermaßen das Pfand für das Vertrauen unseres Führers in das Bündnis, das die Nationen
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