Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
Vom Netzwerk:
Fleck so gut wie möglich fortwaschen? Er hatte keinen zweiten Rock.
    An diesem Abend vertiefte er sich in die Karte von Burma, die der General ihm, wie allen Offizieren, gegeben hatte. Schon zuvor hatte er sie oft betrachtet, doch an diesem Abend versenkte er sich mit besonderer Sorgfalt darein. Denn der eine Tag hatte ihn bereits gelehrt, daß sie bei ihrem Einzug in Burma von der Bevölkerung nicht willkommen geheißen würden. »Engländer und Chinesen, wir hassen euch alle«, hatte der Burmese zu ihm gesagt. Was für eine Bedeutung würde das haben? fragte er sich nüchtern.
    Bis spät in die Nacht brütete er über der Karte mit ihren kleinen, eng bedruckten Namen. Im Laufe des letzten Jahres hatte er lesen gelernt, und er las auch die Wörter am unteren Rand der Karte. Zwei verschiedene Länder hätten es sein können, so unterschiedlich waren die beiden Hälften von Burma. Im Norden, wo der große Fluß Irrawaddy entsprang, waren Berge und Hügel, und die Hügel erstreckten sich in langen Linien von Norden nach Süden. Diese Hügel, so stand auf der Karte, waren voller Einheimischer, die dort inmitten ausgedehnter Wälder lebten. Wer waren diese Einheimischen, und würden sie Freund oder Feind sein? Sheng verfluchte alle Landkarten und Angaben, die davon zu berichten wußten, daß dort Edelsteine gefunden wurden, große Smaragde und Rubine und der schönste grüne Jade, und die nicht mitteilten, was für Menschen dort lebten und ob sie Freund oder Feind waren.
    Im Süden aber, wo der Irrawaddy sich zu seiner Mündung erweiterte, war das Land anders, voll des reichsten Ackerlands, auf dem der weißeste und feinste Reis der Welt gedieh. Dieses südliche Gebiet erstreckte sich über tausendfünfhundert Kilometer längs des Meeres und verbreitete sich über tausend Inseln; welcher Art die Menschen waren, die hier lebten, ahnte er nicht, denn die Karte erzählte nichts von Menschen.
    Schließlich legte er sie zusammen, und in der Dunkelheit lag er dann in seine Decke gewickelt und überdachte das Gelesene. Diese Stadt befand sich fast am Verbindungspunkt der beiden Teile Burmas. Mochten sie jedoch nach Norden oder nach Süden gehen, in beiden Fällen würden sie in unbekanntes Land ziehen. Aus der Nacht fiel ein großes Gewicht der Furcht auf ihn. Was würde ihnen in diesem unbekannten Land widerfahren, wo die Urwälder tief und der Straßen wenige waren? Sie betraten es als Verbündete von Menschen, die von der Bevölkerung gehaßt wurden, von Menschen, die hier jahrein, jahraus geherrscht hatten, aber kann ein Volk fremde Herrscher lieben? In seiner Bangigkeit sehnte er sich nach dem Kommen des Generals, und er beschloß, sofort bei seinem Erscheinen zu ihm zu gehen und ihn auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Ja, was der General auch getan haben mochte, ob er nun Mayli über die Grenzen des Erlaubten hinaus beredet hatte – jetzt war keine Zeit für Männer, an Frauen zu denken.
    Er vernahm das durchdringende Sirren der Mücken, die über seinem Haupt zu kreisen begannen, und obgleich die Nacht sehr warm war, zog er die Decke über den Kopf. Er hatte gehört, daß Mücken Malaria verursachten, und wenn er diese Erklärung auch bezweifelte – war er doch in seines Vaters Haus vom Frühling bis zum Winter von Mücken tüchtig gestochen worden –, so mochte es immerhin wahr sein, daß diese Mücken, so fern seiner Heimat, Gift in sich trugen.
    Schwitzend lag er unter der Decke, schlaflos, während sein Geist Bruchstücke der Vergangenheit durchsiebte – er selbst in seines Vaters Haus, seine Brüder, Jade und seine Mutter und seine Schwestern, und Orchidee, die so erbarmungslos getötet worden war, und Mayli, und wieder und wieder Mayli in ihrem Häuschen in Kunming. Dort war sie zweifellos in diesem Augenblick, mit ihrem Hündchen spielend. Er dachte an sie, wie er sie bei seinem letzten Besuch am Fenster ihres Zimmers gesehen hatte, die langen, schwarzen Haare in der Sonne hängend, und sogleich wurde sein ganzer gesunder junger Körper lebendig. Er litt, und er ertrug sein Leid; dann schlug er sich den Gedanken an sie aus dem Kopf. Vielleicht sah er sie nie wieder, und es war besser für ihn, wenn er damit rechnete, daß er sie nie mehr wiedersehen würde. Gut, sollte es dabei bleiben. Er hatte sich geschworen, nie mehr an eine Frau zu denken, bis der Sieg errungen war, und fast alle seine Soldaten hatten ein ähnliches Gelübde abgelegt. Derer, die es nicht getan, waren wenige, und sie wurden

Weitere Kostenlose Bücher