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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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käme.
    »Bei den Schlangen im Urwald sind wir sicherer«, sagte Sheng zu den Männern, die ihm folgten.
    Alle zogen jetzt ihre grünen Mäntel an und wanden sich Zweige um die Köpfe, so daß sie von oben die Farbe der Erde hatten und weniger leicht zu erkennen waren. Auch Mayli, die ihren Frauen voranschritt, sorgte dafür, daß die Pflegerinnen sich mit Zweigen bedeckten. Sie sahen sehr hübsch aus mit diesem Kopfschmuck, fand sie, und sie waren so jung, daß sie sogar aus diesem kunstvollen Mittel gegen den Tod ein Spiel machten; sie lachten einander zu und flochten sich gegenseitig besonders anmutige Kränze. Einige wählten mit Vorbedacht bestimmte Blätter aus, und Pansiao fand an einer Ranke dunkelrote Urwaldblumen, die sie in ihren Kranz einflocht. Alle mußten zu dem runden, fröhlichen Gesicht unter den Blüten blicken, und sie lächelten.
    Sheng führte die Vorhut an, bahnte allen Nachfolgenden den Weg; Mayli und ihre Frauen gehörten zur Nachhut, und noch immer waren die beiden einander nicht begegnet, wie sie auch nicht wußten, daß sie am gleichen Feldzug teilnahmen. Während des zermürbenden Marsches dachte jeder für Sekunden, für einen Augenblick an die Stimme, an die Erscheinung, die einer anderen geglichen hatte … und doch, wie hätte es jene sein können? Und weiter trug der Krieg sie, ein Teil seiner selbst, sonderte sie ab mit den Pflichten, denen sie nachzukommen hatten, so daß keine Zeit zum Nachdenken oder Träumen blieb.
    Allabendlich beim Halt mußte Mayli dafür sorgen, daß die Pflegerinnen ihr Essen erhielten und für die Nacht sicher untergebracht waren; während Sheng – nachdem seine Soldaten ihre Reiskuchen und gedörrten Bohnen verzehrt hatten – sich über seine Karte beugte und seine Späher aussenden mußte, um zu ermitteln, was sich nur über die Gegner und die eingeschlossenen Weißen in Erfahrung bringen ließ.
    Inzwischen war es in der ganzen Gegend bekanntgeworden, daß die Weißen umzingelt waren, und aus jedem Gesicht sprach Schadenfreude. Sheng nahm dies als Zeichen der Feindseligkeit auf, die sich auch gegen sie selbst richtete, weil sie den Weißen zu Hilfe eilten. Vor allem richtete sie sich gegen jeden unglücklichen Menschen aus Indien, der in diesem Landstrich lebte, denn das Volk von Burma haßte das Volk von Indien, weil die Leute glaubten, diese nach Burma gekommenen Inder hätten sich Arbeit und Reis angeeignet, die nicht ihnen, sondern der Bevölkerung des Landes gehörten. Allenthalben begegnete Sheng diesem Haß, während er die Vorhut südwärts und westwärts weitertrieb, und ein paarmal rettete er einen Inder und sogar eine ganze Familie vor der Wut der Burmesen. Einer der Geretteten verließ aus Dankbarkeit seine Kameraden und folgte Sheng einen ganzen Tag hindurch. Aber am Ende des Tages empfand Sheng seine Ergebenheit als Last, und er beauftragte Krebschen, den dunklen Burschen fortzuführen und der Mannschaft einzureihen.
    »Ich bin nicht frei, wenn er mich die ganze Zeit anschaut und dauernd zu mir gesprungen kommt, um mir zu helfen, sobald ich nur eine Bewegung mache«, sagte Sheng.
    Denn das tat der Inder, nachdem Sheng ihn davor bewahrt hatte, von den Burmesen mit Petroleum übergossen und angezündet zu werden. So nahm sich von jetzt an Krebschen des Mannes an, gab ihm Anweisungen, und der Inder gehorchte ihm wie ein Hund.
    Nun aber hatte der General angeordnet, daß Charlie Li mit Sheng ziehen sollte, denn Sheng war in gewisser Weise noch immer ein Mann der Berge und nicht daran gewöhnt, sich fern der Heimat aufzuhalten; Charlie hingegen war ein Mann jeglichen Landes, wo immer er seine Füße aufsetzte; er las in den Menschen, wie die Bauern in den Wolken lesen, und er spürte die Gedanken der Menschen wie den Atem aus ihrem Mund. So kam er auf diesem Marsch allabendlich zu Sheng und berichtete ihm, was er in Erfahrung gebracht, nachdem er sich tagsüber in seiner Bettlerkleidung vom Marschweg entfernt hatte, um die Bevölkerung auszuhorchen. Die Sprache der Burmesen verstand er jetzt teilweise, und was er nicht verstand, das erriet er.
    »Eine ganze Generation kann den Haß nicht auslöschen, den wir erwecken, weil wir in diesem Krieg auf seiten der Weißen sind«, sagte er betrübt zu Sheng. »Wir verraten unsere Welt, so sprechen alle. Die Gegner verbreiten überall, daß nur wir denen helfen, die uns beherrscht haben. Wenn wir nicht wären – und das höre ich überall –, wäre der Krieg längst gewonnen, und die Weißen

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