Das Geloebnis
wären fort.«
Sheng saß abends abseits von seinen Soldaten, um mit Charlie zu reden. Diesmal hatte er sich auf einem Baumstumpf nahe am Urwald niedergelassen, wo in einiger Entfernung von einem Dorf das Lager aufgeschlagen worden war. Hier konnten sie jeden, der sich näherte, sogleich sehen. Rings um das Lager waren Wachen aufgestellt, denn man war sich der Gefahr durchaus bewußt. Mit gespreizten Beinen saß Sheng da, die großen, schlanken Hände auf die Knie gestützt, den Kopf erhoben, aufmerksamen Blickes. Er hörte nicht auf, die Augen umherschweifen zu lassen, während er Charlie antwortete.
»Hätte ich nicht, was ich erlitten habe, von der Hand der Ostmeer-Zwerge erlitten – und was ich erlitt, will ich keinem Menschen erzählen –, hätte ich nicht gesehen, was ich in der Stadt nahe meines Vaters Haus sah, und hätte ich nicht gesehen, was in dem Dorf meiner Vorfahren geschah, dann würde ich vielleicht sagen, diese Leute tun recht daran zu behaupten, daß wir an uns selbst zum Verräter werden. Aber ich habe gesehen, und ich werde nie vergessen. Weiße kenne ich nicht. Seit meiner Geburt habe ich nie mit einem Weißen gesprochen. Aber die Ostmeer-Zwerge kenne ich, und ich habe sie gesehen. Sie sind meine Feinde bis zu meinem Tod, und auch nach meinem Tod werde ich nicht vergessen.«
Seine Stimme kam aus der Nacht wie leiser Donner. Er fuhr fort: »Liebe ich die Weißen, die ich niemals gesehen habe? Bin ich ein Dummkopf? Nein, nicht um die Weißen zu retten, sitze ich hier, wo meine Füße Erde berühren, die nicht die meine ist, wo Luft und Himmel mir fremd sind. Wenn aber der Weiße der Feind meines Feindes ist, so ist der Weiße mein Freund.«
»Das Land ist von Spähern verseucht«, berichtete Charlie, der ratlos an seinem Ohr zupfte. »Unter den Priestern sind neun von zehn für die Japaner. Im Volk wird kein einziger die Hand gegen sie heben.«
»Dann ist auch dieses Volk mein Feind«, versetzte Sheng niedergedrückt. Er stand auf und blickte ringsum über das dunkle fremde Land. Er sog die Abendluft ein. »Sogar die Luft riecht übel«, erklärte er. »Sie hat einen fauligen Geruch.«
»Das kommt vom Urwald«, meinte Charlie. »Im Dschungel fault manches.« Lange Zeit schwiegen sie; keiner mochte seine Furcht äußern.
»Ich gehe jetzt schlafen«, verkündete Sheng schließlich mit einer Stimme, die hart und trocken war wie das Gebell eines Hundes.
»Gut, ich werde auch ein paar Stunden schlafen, bevor ich mich wieder auf den Weg mache«, erwiderte Charlie. »Irgendwo treffen wir uns dann wieder. Schaut nicht nach mir aus, aber ehe die Nacht sich wiederum herabsenkt, werde ich meine Fußstapfen in die Euren setzen.«
»In der dritten Dämmerung von heute an sollten wir dort sein, falls die Weißen sich nicht noch mehr zurückgezogen haben«, sagte Sheng.
»Sie können sich gar nicht mehr zurückziehen!« entgegnete Charlie. »Keine einzige Straße steht ihnen mehr offen. Und mit ihren Maschinen sind sie nicht imstande, sich ohne Straße fortzubewegen.«
Die beiden jungen Männer lachten freudlos und trennten sich.
Schweigend marschierten die Soldaten am letzten Tag dahin. Inzwischen wußte der General bis auf einen halben Kilometer, wo die Weißen auf Rettung warteten. Durch Boten hatte er Verbindung mit dem Amerikaner, doch verließ er sich nicht darauf. Der Amerikaner war hier fast noch mehr Fremdling als er selber. Nein, an diesem letzten langen Tag wollte er sich nur auf sich selbst stützen. Diesen Krieg zu führen, ging über die Kräfte des Weißen, der nur seine eigene Art kannte. Ein heftiger Zorn erfüllte ihn auf alle diese Weißen, die ihre Heimat verlassen hatten, um hier unter Völkerschaften zu kämpfen, die sie nicht voneinander zu unterscheiden vermochten. Häufig lächelte er bitter, während er an diesem Tag dahinschritt, zu Fuß wie seine Mannschaft, das Gesicht mit Schatten befleckt, die von den um seinen Hut gewundenen Zweigen herrührten.
»Die Weißen!« dachte er mit einem Gemisch aus Zorn und Furcht. »Sie können kein braunes Gesicht vom andern unterscheiden. Es braucht nur ein Feind vor ihnen zu stehen und zu behaupten, er sei ihr Freund, und sie kennen den Unterschied nicht.« Denn seine Späher hatten ihm Hunderte von Geschichten gebracht. Die Gegner trugen keine Uniform, sondern nur kurze Hosen und Sandalen oder Halbschuhe mit Gummisohlen; und sie mischten sich unter die Bevölkerung des Landes, die ebenso gekleidet war. Die Weißen aber, die beider
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