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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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nächsten Tagen an die Angst denken, die sie und Pansiao ergriffen hatte, als sie vor der Schlange flüchteten. Denn von einer ähnlichen Angst schienen in diesen Tagen die im Rückzug befindlichen Truppen besessen zu sein. Der Feind machte täglich fünf- bis sechsmal einen Ausfall gegen sie, während sie sich zurückzogen, und jedesmal gab es mehr Tote, als beerdigt werden konnten, und mehr Verwundete, als zu behandeln möglich war. Es blieb keine Zeit zum Schlafen und nur wenig Muße zum Essen, abgesehen davon, daß die armselige Nahrung, die ihnen verabreicht wurde, den Appetit nicht reizte; denn sie hatten die Verbindung mit dem Nachschub verloren und mußten essen, was sich fand. In diesen paar Tagen wurde Pansiao dünn und blaß, und Siu-chens rote Wangen bleichten. Diejenigen, welche lebten, taten, was für die Sterbenden getan werden mußte.
    Und über ihnen und unter ihnen und rings um sie war wie feuchte Wolltücher die ewige Hitze, die weder bei Tag noch des Nachts nachließ. Am Tag war die Sonne nicht zu ertragen, und sie sehnten sich nach der Nacht. In der Nacht aber war die Hitze der Dunkelheit so gräßlich, daß sie wiederum den Tag herbeisehnten. Es war die Zeit der Mangoschauer, eines leichten und bald aufhörenden Regens, der ganz plötzlich und linde von einem scheinbar sonnigen Himmel fiel, eines Regens, auf den in besseren Zeiten die Leute voll Dankbarkeit gewartet hatten, weil er ihre Früchte reifte. Diese Regenschauer brachten zwar eine vorübergehende Erleichterung von der Hitze, doch bewirkten sie, daß die vom Kampf ermatteten Körper fröstelten. Tatsächlich konnte von diesen Tagen nichts Gutes gesagt werden. Sie bedeuteten einen endlosen Kampf und verzweifelte Anstrengungen, sich rascher zurückzuziehen, bis schließlich der Rückzug für alle zu einem Schrecken wurde; Panik verbreitete sich von Leib zu Leib, denn es war das Fleisch, das sich fürchtete; die Seele war tot.
    So vergingen sechs Tage, ohne daß Sheng und Mayli sich ein einziges Mal sahen. Sie hatte allerdings nicht Ausschau nach ihm gehalten, da es ihr bei diesem Rückzug an Zeit fehlte. Am Abend des sechsten Tages aber wurde der Rückzug verzögert, weil nachmittags ein schwerer Regenfall alles durchweicht und verschmutzt hatte; zudem war der Himmel so stark bewölkt, daß die Gegner eine Weile nicht hervorkommen würden. Zum erstenmal in all diesen Tagen und Nächten nahm Mayli sich die Zeit, sich zu waschen. Der Regen strömte nieder, andauernd und linde; und sie holte das letzte Stück Seife hervor, das sie seit dem Verlassen der Heimat eifersüchtig gehütet hatte. Sie rief Pansiao etwas abseits und bat sie, eine Matte gegen die Straße hochzuhalten, und hinter der Matte wusch sie sich im Regen sauber.
    Plötzlich tauchte Pansiaos Gesicht, über das Regenwasser lief, über der Matte auf. Pansiao sagte: »Was sollen wir jetzt tun? Ich sehe meinen dritten Bruder näher kommen.«
    »Kommt er?« rief Mayli. »Dann will ich mich rasch anziehen.«
    Wenige Sekunden später war sie fertig, denn sie hatte nur ihre nasse Uniform anzuziehen und ihre feuchten Haare in Ordnung zu bringen. Sie trat hinter der Mauer hervor, und da erblickte sie Sheng. Als erstes fiel ihr auf, daß er angegriffen aussah, und dann bemerkte sie, daß er den Arm in einer rohen Schlinge trug, die aus einem kurzen Hanfseil bestand.
    »Oh, du bist verwundet!« rief sie.
    »Man kann es eigentlich keine Verwundung nennen«, versetzte er. »Es ist ein Loch von einem Nagel, der mich vor sechs Tagen traf. Ich glaubte, die Wunde sei sauber, aber jetzt scheint mir doch, daß der Nagel vergiftet war.« Er erzählte ihr, wie er plötzlich einen Stich verspürt und dann den Nagel in seinem Arm gefunden hatte.
    »Laß mich schauen«, drängte sie und führte ihn abseits in das kleine Zelt, wo er den Verband entfernte, den er aus einem Stück seines Hemdes hergestellt hatte. Da sah sie tatsächlich eine sehr böse Wunde, denn der Arm war geschwollen, Eiter kam aus dem Loch, rote Streifen zeigten sich auf Arm und Schulter.
    »Oh, du Dummkopf!« rief sie, in ihrer Sorge ärgerlich werdend. »Wie konntest du das so lange anstehen lassen?«
    »Wer hat Zeit gehabt, an sich selbst zu denken?« gab er zurück.
    Was sollte sie darauf erwidern? Sie wandte sich an Pansiao, die beide mit angstvollen Augen anblickte.
    »Geh und hol den Doktor«, befahl sie. »Sag ihm, daß es sich diesmal um deinen Bruder handelt.«
    Pansiao eilte von dannen, und Mayli wusch indessen die Wunde

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