Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
überprüften seinen Puls und suchten ihn nach Wunden ab. Was geschehen war, war allerdings relativ klar. An seiner Stirn und Kopfhaut befanden sich Druckstellen von den Schrauben des Heiligenscheins , der verhindert, dass sich der Häftling den Nacken verletzt, während das Gerät ihm über den Schädel Strom zuführt.
Wir setzten ihm einen Pappbecher mit Wasser an die Lippen – es tröpfelte einfach wieder heraus.
»Kommandant Ga?«, sagten wir. »Wie geht es Ihnen?«
Er hob den Blick, als hätte er uns gerade erst bemerkt, obwohl wir ihm eben noch Puls, Temperatur und Blutdruck gemessen hatten. »Ist das mein Bett?«, fragte er uns. Unstet wanderte sein Blick herum und blieb am Nachttisch hängen. »Das sind meine Pfirsiche?«
»Haben Sie ihnen gesagt, was aus der Schauspielerin geworden ist?«
Er sah mit vagem Lächeln von einem zum anderen, als hoffe er, dass ihm jemand diese Frage in eine Sprache übersetzen könnte, die er verstand.
Wir schüttelten alle angewidert den Kopf und setzten uns zum Rauchen auf Kommandant Gas Bettkante, wobei wir den Aschenbecher über ihm hin- und herreichten. Die Pubjok hatten das, was sie wissen wollten, aus ihm herausgeholt, und jetzt würde es keine Biografie mehr geben, keinen Sieg für den denkenden Menschen. Mein Vize in unserem Team war ein Mann, den ich im Geist immer Leonardo nannte, weil er ein Kindergesicht hatte wie der Schauspieler in Titanic . Einmal hatte ich Leonardos echten Namen in seiner Akte gesehen, hatte ihn aber noch nie beim Namen genannt, weder dem einen noch dem anderen. Leonardo stellte den Aschenbecher auf Kommandant Gas Bauch ab und sagte: »Ich wette, sie werden ihn vor der Großen Studienhalle des Volkes erschießen.«
»Nein«, widersprach ich. »Das wäre zu offiziell. Wahrscheinlich wird er auf dem Markt unter der Yanggak-Brücke erschossen – dann verbreitet es sich als Gerücht.«
Leonardo wandte ein: »Aber wenn sich rausstellt, dass er das Undenkbare mit ihr gemacht hat, dann verschwindet er einfach. Dann wird man nicht mal seinen kleinen Zeh wiederfinden.«
»Wenn er der echte Kommandant Ga wäre«, meinte Jujack, »ein Volksheld, ein Yangban , würde die Bevölkerung ins Fußballstadion abkommandiert werden.«
Kommandant Ga lag zwischen uns wie ein geistig behindertes Kind.
Q-Ki rauchte wie eine Sängerin, elegant, die Zigarette zwischen den Fingerspitzen. Sie schaute ins Leere, und ich vermutete, dass sie unguten Gedanken über das Undenkbare nachhing. Aber plötzlich meinte sie: »Welche Frage er uns wohl stellen wollte?«
Jujack betrachtete Gas Tätowierung, die durch das Nachthemd hindurchschimmerte. »Er muss sie geliebt haben«, sagte er. »So eine Tätowierung lässt man sich doch nur machen, wenn man jemanden wirklich liebt.«
Wir waren natürlich keine Kriminalbeamte oder so, aber wir waren schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, welches Chaos die Liebe verursachen kann.
Ich sagte: »Angeblich hat er Sun Moon nackt ausgezogen, bevor er sie umgebracht hat. Ist so etwas Liebe?«
Als Leonardo unseren Klienten mit gesenktem Blick betrachtete, sah man seine langen Wimpern. »Ich wüsste nur zu gern seinen wirklichen Namen«, meinte er.
Ich drückte meine Kippe aus und stand auf. »Na, dann werde ich mal unseren Rivalen gratulieren und hören, wo unsere geliebte Schauspielerin ruht.«
Der Aufenthaltsraum der Pubjok lag zwei Stockwerke tiefer. Als ich an die Tür klopfte, wurde es ausnahmsweise einmal sehr still dahinter. Die Kerle schienen Tag und Nacht Pingpong zu spielen, Karaoke zu singen und mit ihren Wurfmessern herumzuhantieren. Schließlich machte Sarge auf.
»Sieht so aus, als hätten Sie Ihren Mann gekriegt«, sagte ich. »Der Heiligenschein lügt nie.«
Hinter Sarge saßen mehrere Pubjok um einen Tisch und starrten auf ihre Hände.
»Na los, Sie können ruhig angeben«, sagte ich. »Ich bin bloß auf seine Geschichte gespannt. Wir wollen nur wissen, wie er heißt.«
»Er hat es uns nicht verraten«, antwortete Sarge.
Sarge sah gar nicht gut aus. Mir wurde klar, dass ihn ein Fall von so großem öffentlichem Interesse ziemlich unter Druck setzen musste. Man vergaß leicht, dass Sarge über siebzig war. Aber jetzt wirkte er blass und müde, als habe er nicht geschlafen. »Auch nicht so schlimm«, beruhigte ich ihn. »Wir können am Schauplatz des Verbrechens alles selbst recherchieren. Wenn wir erst die Schauspielerin haben, werden wir dem Kerl schon auf die Schliche kommen.«
»Er hat den Mund nicht
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